Euroradio Summer Festivals

Geben und Nehmen

Festivals wie die Salzburger und Bregenzer Festspiele, die Wiener Festwochen, die Schubertiade Schwarzenberg, die styriarte und der Carinthische Sommer stellen nicht nur das besondere Programmangebot des Ö1 Festspielsommers dar, die ebendort aufgezeichneten Veranstaltungen sind auch von ausländischen Radiostationen begehrte und viel bestellte Angebote im Rahmen der Euroradio Summer Festivals der EBU, der European Broadcasting Union.

Die Planung beginnt

Einmal im Jahr trifft sich eine Gruppe von Radioredakteur/innen, um dieses Programmangebot zu planen - es ist unter den regelmäßigen EBU-Treffen die vielleicht herausforderndste Sitzung, denn innerhalb eines Tages gilt es, 13 Wochen zu planen; zwei Satelliten-Kanäle mit bis zu zehn Ausstrahlungen pro Tag sind zu bestücken.

Heuer hat dieses spezielle Meeting am 7. April in Genf stattgefunden, Musikredakteur/innen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Dänemark, Spanien, aus der Schweiz und aus Österreich waren anwesend - und wie stets haben die Mitarbeiter/innen der EBU-Zentrale hervorragende Vorarbeit geleistet und nicht nur die Angebote der internationalen Sender gesammelt, sondern auch bereits Listen und Kalendarien erstellt.

Welche großen Konzert- oder Opernereignisse zwischen 13. Juni und 11. September können live angeboten werden, wann kann eine zeitversetzte Aufzeichnung direkt mit der regionalen Ausstrahlung an die partizipierenden Radiostationen weitergegeben werden, bei welchen Ereignissen müssen aus künstlerischen oder technischen Gründen gewisse Sperrfristen eingehalten werden? Mit all diesen Informationen ausgerüstet, schreitet die internationale Gruppe der Radioredakteur/innen zur Tat, denn eine Auswahl muss trotzdem getroffen werden.

Vielseitiges Angebot soll erstellt werden

Zuweilen gibt es an bestimmten Tagen kein einziges Live-Ereignis. Dann kann dieser Tag aus einem Zweitkatalog mit erst später für die Sendung bereitstehenden Konzert- und Opernereignissen bestückt werden, dann gibt es aber auch immer wieder die "übervollen Tage" mit zahlreichen zeitgleichen Veranstaltungen. Gibt man dann einer Opernpremiere der Bregenzer Festspiele auf dem internationalen Parkett den Vorzug oder doch einem exklusiven Kammerkonzert des Montpellier-Festivals - oder ist gar das gleichzeitige Konzert von den Londoner Proms von noch größerer Attraktivität und internationaler Bedeutung? Nun, in besagtem Fall ist die Wahl auf die Bregenzer Festspiel-Premiere der Oper "Amleto" von Franco Faccio gefallen.

Die Fachgruppe hat aus einem reichhaltigen Angebot zu wählen, und zu beachten ist dabei, dass kleine, erlesene Festivals wie das burgenländische Haydn- oder das finnische Mäntta-Music-Festival nicht durch "Schwergewichte" wie die Londoner Proms oder die breite Zeitfenster in Anspruch nehmenden Bayreuther Festspiele ins Abseits gedrängt werden. Ein geografisch vielseitiges Angebot soll erstellt werden, genauso wie in programmatischer Hinsicht Vielfalt in Bezug auf Genres herrschen muss - vom Solorecital bis zur großen Symphonie oder Oper - und in zeitlicher Hinsicht von der Alten Musik bis zur Moderne.

Überblick im überreichen Angebot

Es gilt mit klarem Kopf den Überblick im überreichen Angebot zu bewahren, denn gerade im Sommer sind viele Orchester, Ensembles und Solist/innen allerorts gastierend auf Tour. Ist das Kammerkonzert eines renommierten Ensembles beim Schweizer Lucerne Festival in Woche 13 programmident mit dem Angebot der gleichen Musikgruppe beim polnischen Chopin-Festival in Woche elf, singt der Solist des österreichischen Schubertiade-Konzerts in Woche fünf nicht auch das gleiche Programm bei einer von den katalanischen Kolleg/innen angebotenen Schubertiade in Vilabertran in Woche elf?

Zusätzlich spielen natürlich auch technische und finanzielle Aspekte eine Rolle. Zum einen kann nicht jeder Sender wie der ORF, im Falle, dass eine direkte Übernahme in die nationale Sendung nicht möglich ist, auch kurz nach der eigenen Sendung eine Aufzeichnung via File-Transfer zur Verfügung stellen; manche Sender bewerkstelligen dies aufgrund sommerlich reduzierten Personals erst nach Wochen, was in manchen Fällen bedeutet, die Live-Übertragung zu wählen oder zur Gänze auf eine Veranstaltung zu verzichten. Zum anderen, gerade im Bereich der Oper, ist die Möglichkeit der Aufnahme geschützter Werke aufgrund der damit verbundenen Verlagskosten begrenzt.

Prinzip des Programmaustauschs

Wozu dieser enorme Aufwand, werden sich jetzt vielleicht einige Leserinnen und Leser fragen: Warum bietet Ö1 überhaupt seine exklusiven Festspielveranstaltungen im Ausland an? Die Antwort ist einfach: Das Prinzip des internationalen, von der EBU bewerkstelligten Programmaustauschs basiert nämlich auf Geben und Nehmen. Die in der European Broadcasting Union zusammengeschlossenen Sender bieten aus ihrem nationalen Aufnahmeschatz die Programmhöhepunkte an, andere Radiostationen können diese übernehmen, zu Konditionen, die in bilateralen Verhandlungen selten zu erreichen wären.

Für mehr als 40 der EBU angebotenen Ö1 Konzerte in diesem Festspielsommer können wir aus Tausenden internationalen Angeboten wählen und Ihnen so neben den heimischen Festivals auch musikalische Ereignisse aus aller Welt, Bühnenwerke von den italienischen und französischen Opernfestivals genauso wie Konzerte in großer und kleiner Besetzung aus London, Verbier, Luzern, Riga oder Bad Kissingen vorstellen.

Text: Michael Blees, Leiter der Ö1 Opernredaktion

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