Bildung für Flüchtlinge in Jordanien
Das syrische Nachbarland Jordanien hat nach dem Libanon die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen. Eine der größten Herausforderungen für Jordanien ist es, syrischen Kindern und Jugendlichen die Pflichtschulbildung zu ermöglichen. Aber: die Kapazitäten der jordanischen Schulen reichen dafür nicht aus. Die Caritas versucht mit Bildungsprojekten syrischen Flüchtlingen den Schulbesuch zu ermöglichen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 10.5.2016
Eine der Schulen in Jordanien,
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Offiziell sind mehr als 640.000 Menschen beim UNO Flüchtlingswerk UNHCR registriert, Schätzungen zufolge dürften aber doppelt so viele syrische Flüchtlinge in Jordanien leben. 80 Prozent von ihnen leben außerhalb der Flüchtlingslager, meist unterhalb der Armutsgrenze.
Es ist Nachmittag in der Melkite School of Hashmi in der jordanischen Hauptstadt Amman. Für rund fünfzig syrische Flüchtlingskinder unter 6 Jahren beginnt jetzt der Unterricht. Mit Liedern über Zahlen von eins bis zehn und die fünf Sinne vom Hören bis zum Sehen. Rana Hijazeen ist eine der jordanischen Lehrerinnen, die die syrischen Kinder hier unterrichtet: Am Anfang haben die Kinder kein bisschen gesprochen. viele haben traumatische Dinge Syrien erlebt. Sie haben Angst davor, wenn jemand an der Tür oder auf den Tisch klopft. Deswegen sind diese Schulen wichtig. Wir Lehrerinnen versuchen diesen Geräuschen eine andere Bedeutung zu geben, zum Beispiel imitiere ich ein Tier wenn ich auf den Tisch klopfe, damit diese Geräusche keine Angst mehr auslösen.
Seit zwei Jahren unterrichtet Rana Hijazeen doppelt so viele Stunden wie davor. Am Vormittag jordanische Kinder. Am Nachmittag syrische. Denn insgesamt gibt es in Jordanien rund 250.000 syrische Kinder und Jugendliche im Pflichtschulalter. Nur die Hälfte findet Platz im regulären jordanischen Schulsystem. Über 100.000 Kinder aber nicht. Jugendliche über 15 fallen völlig aus dem Bildungssystem. Und auch Kinder, die länger als drei Jahre nicht in der Schule waren. Alternativen gibt es kaum.
Die Caritas ermöglicht mit Nachmittagsschulen wie der Melkite School 2100 syrischen Schülern den Unterricht. Der 12 Jährige Hamsi Abushiffr lernt hier seit einem Jahr arabisch, englisch und Mathematik: Früher habe ich Kaffee an wartende Autofahrer verkauft. Aber dann habe ich mich furchtbar mit heißem Kaffee verbrannt! Dann habe ich Dinge auf der Straße verkauft. Aber dann haben meine Eltern gesagt, dass ich in die Schule gehen kann und ich habe gute Noten hier.
Kinder syrischer Flüchtlingsfamilien in Jordanien können oft auch deswegen nicht am Unterricht teilnehmen, weil sich ihre Eltern die Fahrtkosten zu Schule nicht leisten können sagt Samar Bandak, die den Bildungsbereich der Caritas Jordanien koordiniert: Es gibt noch viele Herausforderungen, sowohl in den oft überfüllten regulären Schulklassen, als auch in diesen syrischen Klassen, wo es weniger Unterrichtsstunden gibt. Aber wenn die Kinder nicht zur Schule gehen, sind sie möglicherweise Kriminalität, Kinderarbeit, Radikalisierung oder Kinderheirat ausgesetzt. Die Schulen sind nicht nur Orte der Bildung, sondern auch der Heilung und der Hoffnung, dass eine bessere Zukunft möglich ist.
Die jordanische Regierung hat sich bis ein ambitioniertes Ziel gesetzt: bis Ende des Jahres sollen alle 250.000 syrischen Schulkinder in regulären Klassen unterrichtet werden. Um dieses Ziel zu erreichen benötigt Jordanien aber dringend Geld, das bei der Internationalen-Konferenz zur Hilfe syrischer Flüchtlinge im Nahen Osten im Februar zwar schon zugesagt worden, aber bisher noch nicht geflossen ist.