Cannes: neue Filme von Jarmusch und Nichols
Die Filmfestspiele von Cannes gehen in die zweite Woche. Während die deutsch-österreichische Koproduktion "Toni Erdmann" von Maren Ade mit Peter Simonischek in der männlichen Hauptrolle bisher als Favorit für die Goldene Palme gehandelt wird, haben sich jetzt Jim Jarmusch und Jeff Nichols mit ihren Filmen stark zu Wort gemeldet.
26. April 2017, 12:23
Morgenjournal, 17.05.2016
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"Ich bin überzeugt, dass das eine der reinsten Liebesgeschichten der amerikanischen Geschichte ist", meinte Regisseur Jeff Nichols gestern bei der Pressekonferenz zu seinem Streifen "Loving". Das ist der Familienname seiner Protagonisten Richard und Mildred. Er ist blond, sie farbig, und das im Staate Virginia Ende der 1950er Jahre. Ein Problem, denn dort gab es ein Gesetz aus dem Jahr 1924, das sogenannte "gemischtrassige Ehen" verbietet. Die beiden landen auch im Gefängnis und werden vor die Alternative gestellt: ein Jahr Haft, es sei denn, sie verlassen Virginia.
Der Film erzählt die authentische Geschichte dieses Falles, der ein Meilenstein der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung werden sollte. 1967 annulliert nämlich der Oberste Gerichtshof der USA dieses rassistische Gesetz. Wie es dazu kommt, erzählt "Loving" auf unaufgeregte und trotzdem äußerst spannende Weise. Tosenden Applaus gab es für Nichols und seine beiden exzellenten Darsteller Ruth Negga und Joel Edgerton.
"Man hat im Leben die Wahl"
Jim Jarmusch, Kultregisseur mit inzwischen 63 Jahren, ist gleich mit zwei Streifen in Cannes vertreten: außer Konkurrenz mit einer Dokumentation über Rockstar Iggy Pop und die Band The Stooges und im Wettbewerb mit "Paterson". Die Stadt Paterson in New Jersey war Anfang des 20. Jahrhunderts die Textilhauptstadt der USA, die Gastarbeiter und Künstler, vor allem Musiker aber auch Poeten anzog.
Paterson heißt auch ein junger Busfahrer; er schreibt Gedichte, und lebt mit Frau und Bulldogge Marvin. Sie kümmert sich um den Haushalt und gestaltet das Haus kreativ nach ihrem Geschmack, streng in Schwarz-Weiß-Mustern. Paterson ist ein ruhiger, poetischer Film, der den Alltag mit den immer gleichen Abläufen zeigt: die Busfahrten, Gespräche im Bus oder in der Bar, in die Paterson jeden Abend mit dem Hund geht. Erzählt werden zum Teil skurrile Geschichten, die das Leben schreibt mit sich wiederholenden Motiven: Zwillinge, der urkomische Hund Marvin, die exzentrischen Kreationen der jungen Frau, Patersons Gedichte.
Jim Jarmusch spricht nicht gern über seine Filme. Worum es in Paterson geht? "Man hat die Wahl, was man im Leben tun will - darum geht es in Paterson." Oder auf die Dialoge angesprochen: "Der Hund kann so gut improvisieren -eigentlich ist es eine sie, eine Transgender, die Marvin spielt, die außerordentlich gut dabei ist, seine oder ihre eigenen Dialoge zu schreiben!" Eine typische Jim-Jarmusch-Antwort, ganz im Stil seines Films.