"X-Men: Apocalypse" im Kino

Eine besondere menschliche Gabe kann ein Geschenk sein, aber auch ein Fluch. Seit jeher werden die Abenteuer der Comic-Superhelden-Truppe X-Men von diesem Leitsatz angetrieben, auch in der neuesten Kinoausgabe "X-Men: Apocalypse".

Mittagsjournal, 19.5.2016

Seit dem Jahr 2000 ist es die mittlerweile neunte Verfilmung der "X-Men". Damit haben sich die Mutanten rund um Professor X als eines der erfolgreichsten Franchise-Modelle in Hollywood etabliert. Diesmal kämpfen sie gegen einen fast unbezwingbaren Gegner, einen Super-Mutanten. Ab morgen läuft "X-Men: Apocalypse" in den österreichischen Kinos.

Mutanten gegen Super-Mutant

Die Welt ist schlecht, die Menschen zu keiner Verbesserung fähig. Der Messias kommt aus der Vergangenheit ins Jahr 1983, aus dem alten Ägypten, heißt ausgerechnet Apocalypse, ein Name wie sein Programm. "Für Apoycalypse ist die Welt völlig korrupt und es stört ihn, dass man falsche Idole anbetet", so Regisseur Bryan Singer. Nuklearwaffen, Umweltzerstörung, Überbevölkerung. Erst muss man alles zerstören, damit es wieder besser werden kann, so die fixe Idee. Da können die X-Men natürlich nicht tatenlos zusehen. Nicht mehr Menschen gegen Mutanten lautet also das Match diesmal, sondern Mutanten gegen den Super-Mutanten und seine Gefolgschaft.

Neue Effektlieferanten

Wer will, kann sich hier politische und gesellschaftliche Parallelen zur Gegenwart zusammenreimen, doch bedingt die Allgemeinheit des Grundszenarios eine gewisse Beliebigkeit und Banalität derartiger Interpretationen. Und wie aus der Zerstörung einer fehlgeleiteten Zivilisation eine bessere werden soll, wie also unter dem Zwang einer Diktatur die Menschen besser werden sollen, auch das bleibt rätselhaft.

Doch ohnehin geht es hier um anderes, nämlich um die ausführliche Inszenierung von übermenschlichen Begabungen. Laserpeitsche, Hypergeschwindigkeit, ein elektromagnetischer Energieblick und -strahl, dem man besser nicht im Weg steht oder künstlich vom Himmel geholte Wirbelstürme mit enormer Zerstörungskraft. Da wird teleportiert was das Zeug hält, Telepathie quasi selbst zur Wesensform. Zur Stamm-Belegschaft der X-Men gesellen sich diesmal ein paar neue Effektlieferanten, also neue Figuren, zum Beispiel der Caliban, der andere Mutanten erkennen, aufspüren und verfolgen kann.

Auftürmen von Schauwerten

Einst sorgte das Ringen der Mutanten um die eigene Identität in einer Welt der sogenannten Normalen für Vertiefungen jenseits der Action. Im gnadenlosen Auftürmen von Schauwerten - freilich ein Konkurrenzkampf, der auch mit Superman und Konsorten geführt wird - haben die X-Men nun an zwischenmenschlichem Konfliktpotenzial verloren. Wer, wie Bryan Singer die Dosis des Spektakulären permanent erhöht, könnte der Aufmerksamkeit seiner Kunden im Kino aber letztlich auch den Garaus machen.