Gefangen auf den Inseln
Außenminister Sebastian Kurz hat für seinen Plan, Migranten und Asylsuchende, die auf dem Seeweg nach Europa kommen, auf Inseln zu internieren und möglichst rasch wieder zurückzuschicken, viel Kritik einstecken müssen. Dabei ist genau das längst europäische Realität, Tausende sitzen derzeit auf griechischen Inseln fest.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15.6.2016
Said al-Hussein ist UNO-Hochkommissar für Menschenrechte und er hat dieser Tage in Genf harte Kritik an der europäischen Asylpraxis geübt. Die sogenannten Hotspots in Griechenland und Italien seien im Wesentlichen riesige Zwangshafteinrichtungen, selbst unbegleitete Jugendliche würden in Gefängniszellen oder mit Stacheldraht umzäunten Lagern untergebracht, so der UNO-Menschrechtswächter. Tatsächlich sind nach Angaben der griechischen Regierung derzeit rund 8500 Asylsuchende auf den Inseln de facto interniert, davon 4000 auf Lesbos, 1200 auf Samos und 2600 auf Chios. Die Menschen müssen zur Registrierung in die Hotspots und dürfen die Inseln danach nicht Richtung Festland verlassen.
Michael Chalupka, der Direktor der evangelischen Diakonie, war auf Chios und kann den Befund der UNO nur bestätigen: diese als Gefängnisse gebauten mit Stacheldraht bewährten Einrichtungen beherbergen jetzt Leute, die schon monatelang dort leben. Man müsse sich über Zustände auf den Inseln empören. Sie seien Ausdruck und Ergebnis einer verfehlten Politik der europäischen Nationalstaaten. Da könne sich auch ein Außenminister nicht aus der Verantwortung nehmen.
Sebastian Kurz sieht seinen Vorstoß, die Asylsuchenden erst gar nicht auf europäisches Festland zu lassen, hingegen als Ausdruck dieser Verantwortung. Früher seien täglich bis zu 10.000 Menschen auf den küstennahen Inseln Griechenlands angekommen, heute seien es nur noch wenige hundert pro Woche, untermauert das Kurz-Büro die Linie mit UNHCR-Zahlen. Weil es von den Inseln kein Weiterkommen gebe.
Anders in Italien. Dort seien laut Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex seit Jahresbeginn bis zur Vorwoche knapp 50.000 Asylsuchende über das Meer gekommen, die meisten wurden aus Seenot gerettet. Fast 5000 Anlandungen gab es 2016 bisher in Lampedusa, aktuell halten sich nur noch 335 Asylsuchende auf der kleinen Insel auf. Rund 30.000 sind in Sizilien gelandet, gut 13.000 sind noch dort. In Apulien halten sich laut Frontex fast 9000 Asylsuchende auf, in Kalabrien rund 5000. Insgesamt befinden sich derzeit 122.000 Migranten und Asylsuchende in Italien, die sich im Prinzip frei bewegen können. Die Insel-Idee von Kurz ist demnach auch vor dem Hintergrund möglicher Probleme am Brenner zu sehen.