Brexit-Folgen für die Wirtschaft
Das Hauptargument der EU-Befürworter in Großbritannien ist, dass die britische Wirtschaft die EU brauche. Und umgekehrt. Die EU würde die zweitgrößte Volkswirtschaft verlieren – mit gravierenden Folgen für beide Seiten. Nur was das Ausmaß betrifft, gehen die Einschätzungen auseinander.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 17.6.2016
Am kommenden Donnerstag ist nicht für Großbritannien ein entscheidender Tag. Sollte die Mehrheit der Briten tatsächlich für den EU-Austritt stimmen, dann steht auch für Europas Wirtschaft viel auf dem Spiel. Der Binnenmarkt würde die zweitwichtigste Volkswirtschaft der Gemeinschaft als Vollmitglied verlieren. Den Umfragen zufolge ist das Risiko namens Brexit hoch. Nach Einschätzung vieler Ökonomen werden die wirtschaftlichen Nebenwirkungen sicher auf dem Festland zu spüren sein - lediglich der Grad der Erschütterung ist offen.
Austritt schlecht für Börsen
Die Seismographen in der Brexit Debatte sind die Börsen. Je besser die Umfragewerte der EU-Gegner sind, desto eher schlagen die Indizes den Weg nach unten ein. Dass beide Seiten, nach der Ermordung der Labour Abgeordneten Jo Cox, die Kampagne unterbrochen haben, hat die Kurse zumindest stabilisiert. Sollte sich die Mehrheit der Briten für den Austritt entscheiden, dann sind es die Börsen und somit die Anleger, die sich auf magere Zeiten einstellen müssen, so Gabriel Felbermayr. Der 39 Jahre alte Oberösterreicher leitet den Bereich Außenwirtschaft des ifo Instituts in München. Bei einem brexit würde es zwei Jahre Verwerfungen auf den Aktien- und Zinsmärkten geben mit Auswirkungen auf den Kontinent.
In wie weit sich ein Brexit auf die Wirtschaftsleistung auf der Insel und dem Festland auswirkt ist unklar. Zwei Jahre werden London und Brüssel Zeit haben, ihr Verhältnis neu zu regeln. Die Unsicherheit wäre Gift für das Investitionsklima, sagt Felbermayr. Großbritannien ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in Europa, ein wichtiger Markt auch für österreichische Unternehmen. Eine dicke Rezession in Großbritannien wäre auch für Österreich nicht wachstumsfördernd.
Gefahr für Europas Wirtschaft
Neben der quantitativen Wirkung gebe es eine qualitative, resümiert Karl Aiginger, Leiter des WIFO in Wien. Europa befinde sich in einem fragilen Aufschwung nach der Finanzkrise, dieser sei gefährdet. Auch die Arbeitslosigkeit, die gerade sinkt, würde wieder steigen.
Österreich werde den Brexit spüren, indirekt besonders über den wichtigen britischen Handelspartner Deutschland, aber auch direkt. Die heimische Wirtschaft hat zuletzt Waren im Wert von mehr vier Milliarden Euro auf die Insel geliefert. Großbritannien ist somit die Nummer acht in der Exportstatistik. Österreich habe einen hohen Überschuss im Außenhandel. Der Tourismus aus Großbritannien sei sehr bedeutend, ebenso wichtig sei das Land für die Maschinen- Motoren und Fahrzeugzulieferindustrie. Aber es werde sich in Grenzen halten, wenn es zu keinem Schock komme, meint Aiginger.
Ein Brexit könnte für Österreich jedoch auch eine Chance bedeuten, sagt WIFO Chef Aiginger. Das Land würde wieder mehr ins Zentrum der EU rücken. Das könnte dem Finanzplatz Wien nutzen. Die Politik sollte die Möglichkeit in der Standortdebatte thematisieren, um das schwache Wachstum zu steigern.