Was machen freiwillige Kulturhelfer in Italien?
Laut UNESCO ist Italien das Land mit den meisten bedeutenden Kulturgütern der Welt. Und doch gibt Italien weniger Geld für seine Kultur aus, als andere Staaten der EU. Dem Kulturministerium, das sich auch um Sport und Veranstaltungen aller Art kümmern muss, stehen weniger als ein Prozent des Gesamthaushalts pro Jahr zur Verfügung. Daher engagieren sich immer mehr italienische Bürgerinnen und Bürger für ihre Kulturgüter.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 21.6.2016
Bürger übernehmen Aufgaben des Staates
"Unsere Besichtigungstouren würden ohne die vielen Freiwilligen nicht funktionieren. Italiener, die bei uns einen Teil ihrer Zeit opfern, gehören allen Altersgruppen an. Viele Schüler und dann viele ältere Leute." Mariella Curre Caporuscio leitet die Sektion des Fondo Ambiente Italiano (FAI) in der Hafenstadt La Spezia. Der FAI ist Italiens größte private Organisation zum Erhalt von Kulturgütern. Mit rund 3.500 festen freiwilligen Helfern kümmert man sich um Paläste, Kirchen und historische Parks.
"Was aber vor allem zählt: das in Italien immer mehr Bürger in Sachen Erhalt unserer Kulturgüter Verantwortung übernehmen wollen", sagt Mariella Curre Caporuscio: "Angesichts der mangelhaften Präsenz des Staates und des Desinteresses lokaler Institutionen ist diese Hilfe enorm wichtig."
800.000 "volontari dell'arte"
In keinem anderen EU-Land helfen so viele Menschen beim Erhalt ihrer Kulturgüter wie in Italien. Einer Erhebung der Tageszeitung "la Republica" zufolge sind es mehr als 800.000. Das ist nur die Zahl jener, die regelmäßig als "volontari dell'arte", als freiwillige Helfer für die Kultur, bekannt sind. Bei den vom FAI organisierten Besichtigungstouren helfen immer wieder auch vor allem junge Leute aus, die nur für eine einzige Veranstaltung präsent sind. Das sind schätzungsweise, alleine beim FAI, noch einmal 10.000 Helfer. In Italien existiert eine lange Liste von privaten Hilfsorganisationen zum Erhalt der vielen Kulturgüter: Es sind rund 185! Tendenz steigend.
Die drei wichtigsten Gründe für diesen ungewöhnlich Boom an Freiwilligenorganisationen im Kulturbereich: die Abwesenheit staatlicher Institutionen in vielen Bereichen, der Mangel öffentlicher Gelder zum Erhalt von Kulturgütern und das wachsende Interesse von Bürgern, die sich für ihre Kulturgüter verantwortlich fühlen, und deshalb pro Monat einige wenige Stunden oder ganz Tage bei Organisationen mitarbeiten.
Druck auf die Institutionen
Wie auch im Fall des neapolitanischen Comitato Civico di Santa Maria di Portosalvo, das sich um das heruntergekommene Altstadtzentrum kümmert und dem der Kunsthistoriker Antonio Pariante vorsteht: "Das größte Problem für uns, die wir unsere Kulturgüter erhalten wollen, ist das staatliche Desinteresse. Doch mit dem wachsenden Heer von Freiwilligen können wir Druck auf die Institutionen machen, mehr Geld locker zu machen. Um noch mehr Freiwillige zu bekommen, sind gerade die Schulen enorm wichtig. Deshalb sind wir auch in Neapels Schulen präsent."
Neuester Trend: Kulturgüter adoptieren
Alle großen privaten Kulturorganisationen arbeiten mit Schulen zusammen: erklären dort ihre Arbeit, werben Freiwillige an, organisieren Veranstaltungen zusammen mit Lehrern, Eltern und Schülern. Eine erfolgreiche Strategie: Die meisten jungen Freiwilligen im Kulturbereich kommen inzwischen aus Schulen und Universitäten. Immer mehr Schulklassen und auch Schulen, das ist der neueste Trend in Italien, adoptieren Kulturgüter - Paläste, Kirchen, archäologische Grabungsstätten und auch historische Parks. Sie verpflichten sich dazu, diese Orte regelmäßig zu reinigen, zu beaufsichtigen, Geld für deren Erhalt zu sammeln - und Druck auf die lokalen Institutionen auszuüben, sich mehr als bisher für ihr kulturelles Erbe einzusetzen.
Service
la Republica - I volontari dell'arte "Con la nostra passione aiutiamo l'Italia a tenere i musei aperti"