Heinz Fischer: Dominoeffekt unwahrscheinlich
Bundespräsident Heinz Fischer hält einen Dominoeffekt nach der britischen Entscheidung für den EU-Austritt für sehr unwahrscheinlich. Er plädiert aber dennoch für einen gemeinsamen Kraftakt auf allen Ebenen, um die Bürger für das europäische Projekt zurückzugewinnen. In seinem Abschiedsinterview - Fischer ist ab heute noch genau dreizehn Tage im Amt - benennt das Staatsoberhaupt auch die Folgen einer möglichen Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl.
8. April 2017, 21:58
APA/HERBERT NEUBAUER
Mittagsjournal, 25.06.2016
Bundespräsident Heinz Fischer im Gespräch mit Stefan Kappacher
"Kein Wunderrezept"
Nach dem Votum für den britischen Austritt aus der EU wünscht sich Bundespräsident Heinz Fischer, dass dieses als Weckruf verstanden wird. Alle anderen EU-Staaten müssten sich bemühen, die europäische Idee besser zu realisieren als bisher, sagt Fischer. Einen Dominoeffekt hält der scheidende Bundespräsident Heinz Fischer für unwahrscheinlich. Fischer weist darauf hin, dass selbst im tradtionell EU-kritischen Großbritannien fast 49 Prozent gegen den Austritt gestimmt haben: "Ich glaube, dass in Ländern wie Dänemark oder Frankreich, eine Mehrheit für einen Austritt nicht vorhanden ist. Das ändert aber nichts daran, dass man auf allen Ebenen in den europäischen Regierungen, im Europäischen Parlament, in den nationalen Parlamenten, in der Verwaltungspraxis, in der Tätigkeit der EU-Kommission, verstehen muss, dass es zwar kein Wunderrezept gibt oder keinen Zauberstab gibt, aber dass es die Bürger spüren würden, wenn sich alle zusammen sagen, wir müssen die Europäische Union, die Institutionen den Menschen näher bringen, wir müssen weniger bürokratisch sein."
"Learning bei doing"
Fischer ist der Ansicht, dass das europäische Projekt in ständiger Rückkoppelung zur öffentlichen Meinung verwirklicht werden müsse. Eine Verfassung für ein Vereinigtes Europa, erdacht am Reißbrett, könne nicht funktionieren. Man müsse "learning bei doing" betreiben.
"Mit dieser Situation müssen wir fertig werden"
Für Bundespräsident Heinz Fischer ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zur Bundespräsidentschafts-Stichwahl völlig offen. Für die Entscheidung des designierten Präsidenten Alexander Van der Bellen ihn nun doch nicht zu den Auslandsbesuchen nach Slowenien und Südtirol zu begleiten, zeigt Fischer Verständnis. Fischer hält das für "den Ausdruck eines hohen Verantwortungsbewusstseins und eines guten Fingerspitzengefühls."
Heinz Fischer betont auch, dass jeder Ausgang des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof zur Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl zu akzeptieren sei. Sollte das Höchstgericht das Wahlergebnis bestätigen, werde die Amtsübergabe wie geplant am 8. Juli stattfinden. Man müsse aber auch für das andere Szenario gerüstet sein: "Wenn der Verfassungsgerichtshof anders entscheidet, muss man sich ebenfalls entscheiden und rechtliche und faktische Fragen klären. In Summe würde das heißen, dass es eine Wiederholungswahl zwischen den beiden Kandidaten bei der Stichwahl nach dem Sommer geben würde. Das hat es in Österreich noch nie gegeben, aber auch mit dieser Situation müssen wir fertig werden, müssen wir mit Anstand umgehen, müssen dem Rechtsstaat Tribut zollen, und ich kann beide Möglichkeiten als theoretische Variante akzeptieren."
"Staatskrise ist es sicher nicht"
Eine Wahlwiederholung im Herbst würde für Fischer keine Staatskrise hervorrufen: "Klar und eindeutig: Es wäre natürlich keine Staatskrise. Es ist ja vorgesorgt. Es ist eine unangenehme Situation. Es wird manche unerfreuliche Kommentare im Ausland auslösen, es wird viele Österreicher vielleicht verärgern, warum sie ein zweites Mal zu den Wahlurnen gehen müssen, aber Staatskrise ist es sicher nicht."
"Ab nun werden Wahlverfahren mustergültig ablaufen"
Fischer sieht in dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof auch eine Art reinigendes Gewitter im Zusammenhang mit der Auszählung von Briefwahlstimmen. Er zieht einen Vergleich mit dem Weinskandal in den 1980-er Jahren: "Ich bin sicher ab jetzt werden in den nächsten 30 Jahren die Wahlverfahren in Österreich auch unter Einschluss der Briefwahl geradezu mustergültig ablaufen. Ein bisschen erinnert mich das an den Weinskandal, wo zuerst sehr locker umgegangen wurde mit bestimmten Vorschriften, und als das an die Öffentlichkeit geraten ist, und hart und streng durchgegriffen wurde, seither ist die Qualität des österreichischen Weines über allen Zweifel erhaben. Und das müssen wir bei der Auszählung von Briefwahlstimmen mit gleicher Transparenz und mit gleicher Sicherheit erreichen."
"Wiederwahl war wichtigstes Erlebnis"
Rückblickend auf die 12 Jahre im Amt des Bundespräsidenten bezeichnet Fischer als subjektiv schönstes und wichtigstes Erlebnis seine Wiederwahl "mit 79,6 oder 7 Prozent der Stimmen. Das hätte ich mir nie erwartet, das hätte ich nicht gewagt zu träumen," sagt Fischer. Dieses Ergebnis habe ihm eine großen Rückhalt und eine große Sicherheit für die nächsten 6 Jahre für sein Amtsverständis gegeben.
Am meisten beeindruckt hat Fischer seine Begegnung mit US-Präsident Obama: "An Obama kommt man nicht vorbei. Er ist ein unglaublich charismatischer Typ."
Er nennt aber auch den Besuch bei der Queen, "wenn ihre Hunde herumwuseln."