Bibelessay zu Römer 6, 3 - 11

In vielen Pfarrgemeinden Österreichs bereiten sich derzeit Asylwerber auf ihre Taufe vor. Einige von ihnen haben bereits in ihren Heimatländern heimlich mit dem Christentum sympathisiert, das war auch der Hauptgrund für ihre Flucht; denn zu Hause hätte eine Taufe ihr sicheres Todesurteil bedeutet.

Andere sind unterwegs mit Christen aus ihren Heimatländern in Kontakt gekommen, haben sich mit ihnen angefreundet und begonnen, sich für das Evangelium von Jesus Christus zu interessieren. Und wieder andere waren von der christlichen Nächstenliebe, die sie hier bei uns erfahren haben, so überwältigt, dass sie unbedingt mehr vom Christentum wissen wollten. Fast alle von ihnen sagen, dass es die Botschaft des liebenden Gottes ist, die sie so berührt und anspricht.

Da getaufte Christen allerdings im Asylverfahren einen gewissen Vorteil haben, will der österreichische Staat sicherstellen, dass es sich dabei um keine Schein-Konversionen handelt. So wie der Staat mögliche Schein-Ehen überprüft, überprüft er im Asylverfahren auch sehr genau die Motive von Menschen, die in der Zeit ihres Hierseins zum Christentum übergetreten sind. Die frisch Getauften müssen vor Ge-richt eine theologische Prüfung absolvieren, die so streng ist, dass sie viele als Kind getaufte Österreicherinnen und Österreicher wohl kaum bestehen würden. Zum Teil sind da auch durchaus gefinkelte Fragen dabei, bei denen sich überzeugte Muslime eher die Zunge abbeißen würden, als diese Fragen positiv zu beantworten.

Die Sache hat aber auch eine Kehrseite. Besteht jemand die Prüfung im Asylverfahren nicht und wird dann als getaufter Christ doch wieder in seine Heimat abgeschoben, erwartet ihn in vielen Fällen zu Hause der Tod. Doch auch für jene, die hierbleiben dürfen, ist die Sache nicht ungefährlich. Denn sobald eine Taufe hier den Behörden dort bekannt wird, kann es in vielen Fällen geschehen, dass die Eltern oder Geschwister zu Hause schweren Repressalien ausgesetzt sind. Für Menschen mit starkem Familiensinn, wie es die meisten aus dem Orient sind, eine ganz schreckliche Vorstellung.

Auch wir als Kirchen taufen übrigens nicht einfach wild drauf los. Im Gegenteil: Wir gehen eher zurückhaltend damit um. So haben wir uns etwa selbst dazu verpflichtet, keinen Asylanten zu taufen, der nicht mindestens einen einjährigen Taufkurs absolviert hat. In dieser Zeit lernen wir die Menschen näher kennen und können einigermaßen abschätzen, wie ernst oder nicht ernst sie es meinen. Die meisten meinen es sehr ernst – in vollem Bewusstsein, dass die Sache für sie auch gefährlich werden kann. In den seltenen Fällen aber, in denen wir berechtigte Zweifel hegen, verweigern wir die Taufe oder brechen den Taufunterricht ggf. auch vorzeitig ab. So selbstverständlich es einerseits ist, dass wir als Kirchen mit dazu beitragen, Asylsuchenden die Mindeststandards der westlichen Spielregeln des Zusammenlebens nachdrücklich zu vermitteln, so selbstverständlich ist es andererseits, dass wir in unmittelbaren Glaubensfragen absolut keinen Druck auf Menschen ausüben. Jene, die bewusst ihrer angestammten Glaubensüberzeugung treu bleiben wollen, sind uns natürlich genauso lieb und wert. Und ohne jedes Zögern werden alle in gleicher Weise unterstützt, bei uns hier Fuß zu fassen.

Mir selbst hat die Begegnung mit den vielen erwachsenen Menschen im Taufunter-richt allerdings den Blick ganz neu geöffnet für das ursprünglich biblische Taufver-ständnis. Wenn ich sie da so sitzen sehe, wie sie mit glühenden Ohren untereinander ihre Glaubenserfahrungen austauschen und die für sie neuen biblischen Geschichten geradezu begierig in sich aufsaugen und wie sie ihr altes und ihr neues Gottesbild miteinander vergleichen, dann darf ich für Augenblicke in die Seele von Menschen blicken, für die "Glaube" wirklich einen ganz zentralen Bereich ihres Lebens bildet. In die Seele von Menschen, denen bewusst ist, dass sie mit ihrer Taufe einen grundlegenden Wechsel vollziehen. Es geht für sie wirklich um eine ganz fundamentale Lebensentscheidung, alte - aber natürlich von Kindesbeinen an vertraute - Muster abzulegen und in ein anderes, in ein faszinierend neues - aber noch ungewohntes - Leben hineinzuschlüpfen. Dem geht meist ein langes inneres Ringen voraus, von dem nicht von vornherein klar ist, wie es ausgehen wird – und das wir als Begleiter auch in keiner Weise beeinflussen dürfen.

Der Apostel Paulus vergleicht im Römerbrief das Unter- und Wiederauftauchen bei der Taufe mit der Teilhabe am Sterben und an der Auferstehung Jesu Christi. Das deutsche Wort "taufen" leitet sich etymologisch übrigens tatsächlich vom Wort "tau-chen" ab. "Wisst ihr nicht, dass alle, die auf Jesus Christus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft" schreibt Paulus. Und weiter: "Sind wir aber mit Christus gestor-ben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden!". Für junge Muslime, die sich taufen lassen, ist die Taufe kein netter Zuckerguss, sondern das symbolische Sterben und Wiederauferstehen ist für sie persönlich erfahrene Realität.

Das alles kommt bei der in unseren Breiten üblichen Kindertaufe nur mehr sehr rudimentär zum Tragen, z.B. im Taufkleid, das das neue Leben symbolisiert, aber wer weiß das schon? Und sogar mit dem Element des Wassers gehen wir meist schon sehr sparsam um, vom "Untertauchen" ist da nicht mehr viel zu merken. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin ein überzeugter Vertreter der Kindertaufe. Denn mit ihr wird in großartiger Weise deutlich, dass die Liebe Gottes voraussetzungslos ist und keine Vorleistungen verlangt. Ein kleines Kind kann ja noch gar keine Vorleistungen erbringen. Aber ich muss zugeben: Wie sehr die Taufe lebensentscheidende Bedeutung hat, das ist mir in den letzten Wochen erst wieder ganz neu bewusst geworden.