Neu im Kino: "Die Poesie des Unendlichen"
Die makellose Schönheit der Mathematik, eine ungleiche Freundschaft, intellektuelle Eifersucht und die koloniale Vergangenheit Englands - das sind die Zutaten zum Film Die Poesie der Unendlichkeit, der die wahre Geschichte des indischen Mathematik-Genies Srinivasa Ramanujan erzählt.
8. April 2017, 21:58

WILD BUNCH
Kulturjournal, 8.7.2016
Mathematik-Genies gelten nicht unbedingt als nahbare Zeitgenossen. Für die meisten von uns sind die höheren Weihen der Mathematik schlicht nicht mehr nachvollziehbar. Man ist froh, wenn man sich noch halbwegs daran erinnern kann, was man einst in der Schule gelernt hat. Im Film "Die Poesie der Unendlichkeit" geht es nun ausgerechnet um die menschliche Seite der Mathematik.
Der Film erzählt von der erstaunlichen Reise des Mathematikers Srinivasa Ramanujan, der sich vom armen Buchhalter im indischen Madras zum Cambridge Professor verwandelt. Klingt unglaublich - basiert aber tatsächlich auf einer wahren Geschichte.
Ein Mozart der Mathematik
6.000 Kilometer liegen zwischen dem englischen Cambridge und der indischen Stadt Madras. Zwischen gepflegter intellektueller Kaderschmiede und einem Leben in Lumpen. Srinivasa Ramanujan möchte dieses Leben hinter sich lassen und die Mathematik revolutionieren. In Cambridge erwartet ihn nicht nur perfekt getrimmter englischer Rasen, sondern auch Prof. Hardy.
Während der Erste Weltkrieg ausbricht und die österreichisch-ungarische Monarchie untergeht, geht der Stern von Ramanujan auf. Er ist ein Mozart der Mathematik und schwebt über den Formeln - ein Künstler unter Handwerkern. Für ihn ist Mathematik göttlicher Ausdruck und keine Logikleistung.
Koloniale Arroganz und Rassismus
Die Poesie der Unendlichkeit ist auch die Geschichte eines Underdogs, dessen Brillanz das intellektuelle Establishment erschüttert und zutiefst verunsichert. Koloniale Arroganz und Rassismus sind die eine Reaktion. Eine Weltsicht ohne Standesdünkel, soziale Scheuklappen und kulturellem Snobismus die andere. Ein Tauziehen, das auch aktuelle politische Debatten über Migrationsbewegungen charakterisiert.
In warmen Pastelltönen und Einstellungen weich wie ein Gemälde erzählt Regisseur Matthew Brown seine Fabel vom unterprivilegierten Wunderkind, dessen Genialität sämtliche Grenzen einreißt. Die Poesie der Unendlichkeit ist aber vor allem eine Ode an eine intellektuelle Liebesbeziehung. Diese besondere Chemie zwischen Ramanujan und seinem Mentor Hardy wollte er auch zeigen, so Regisseur Matthew Brown.
Die Rechnung geht nur bedingt auf
Bei all den Formeln, die die "Poesie der Unendlichkeit" zieren, bleibt am Ende leider auch der Film selbst zu formelhaft. Die Rechnung geht nur bedingt auf.
Zu einfach gezeichnet die Charaktere - die Handlung mitunter vorhersehbar wie eine simple Gleichung. Zu sehr gefällt sich Regisseur Brown darin, in exquisit ausgeleuchteten Einstellungen zu verweilen, als dass die Heldenreise des Ramanujan zu einem wirklich packenden Kinoerlebnis wird.