"Fuocoammare": Lampedusa im Film

Hoffnung und Tragödie liegt im Alltag der Insel Lampedusa nah beieinander. "Fuocoammare", das mit "brennendes Meer" oder "Leuchtturm" übersetzt werden kann, heißt demgemäß auch der Dokumentarfilm des italienischen Regisseurs Gianfranco Rosi (dt. "Seefeuer"). Ein Jahr lang hat Rosi dafür auf Lampedusa verbracht, und für seinen Film bei der Berlinale den Goldenen Bären erhalten.

Morgenjournal, 26.7.2016

Eine Insel, die zum Synonym für Flüchtlingstragödien geworden ist. In der medialen Berichterstattung, sei Lampedusa in den letzten Jahren nur noch als Schauplatz neuer Tragödien vorgekommen, so Gianfranco Rosi. Und deswegen habe er einen Perspektivenwechsel gesucht. Einen filmischen Zugang, der nicht nur die Tragödie, sondern auch die Intimität der Insel zeigt, mit den Menschen die hier leben. Rosi verdichtet und verknüpft in "Fuocoammare" den Rhythmus des Inselalltags und die Dramatik der Rettungseinsätze mit jener narrativen Intensität und auch Leichtigkeit, die schon seine früheren Filme geprägt haben.

Die Einsatzzentrale erreicht ein Notruf, ein Flüchtlingsboot droht zu sinken. Dann schneidet Rosi in ein kleines lokales Radiostudio: der Moderator bei der Arbeit. Wieder ein Schnitt und Rosi wechselt zu einer älteren Frau, die am Herd steht, und die nun den Bericht über die neue Flüchtlingstragödie in den Radionachrichten hört. Die Tragödie aus Sicht der Helfer, die medial verarbeitet wird, und letztlich in den Wohnzimmern der Inselbewohner landet, die dann auf das Meer hinausblicken, wo die Militärschiffe ihre Kreise ziehen.

Sehschwaches Europa

Als Reiseführer durch den Alltag und als Protagonist seines Films stellt Rosi dabei den 12-jährigen ortsansässigen Samuele in das Zentrum der Handlung. Dessen Sehschwäche auf einem Auge zur Metapher für ein Europa wird, das seinerseits die Augen lange Zeit verschlossen habe, so Rosi. In Europa sei die Massenmigration erst seit eineinhalb Jahren wirklich ein Thema: "Als Hunderttausende über die Balkanroute gekommen sind, fühlte man sich plötzlich bedroht und tat überrascht. Aber als Italien vorher schon um Hilfe gerufen hat, darauf Aufmerksam gemacht hat, hat die europäische Politik wie der Affe reagiert, der nichts hört, nichts sieht, nichts sagt."

40 Tage war Rosi mit seiner Kamera auf Marineschiffen, hat Rettungseinsätze begleitet. Er zeigt die Helfer bei der Arbeit, die ausgemergelten Körper der Überlebenden und er filmt die Toten im Rumpf eines Bootes. Denn sie sind genauso ein Teil der Realität Lampedusas, wie es auch die Schönheit der Insel und der Alltag der Menschen ist. In "Fuocoammare" stehen sie gleichberechtigt nebeneinander.