Eötvös-Uraufführung in Salzburg

Bei den Salzburger Festspielen geht heute eine Uraufführung über die Bühne: Der ungarisch-deutsche Komponist Péter Eötvös hat im Auftrag der Festspiele ein grotesk-komisches wie politisch brisantes Oratorium geschrieben: "Halleluja - Oratorium balbulum" nennt sich das Werk, der Text dazu stammt vom erst kürzlich verstorbenen Schriftsteller Péter Esterházy.

Die Wiener Philharmoniker bringen das neue Oratorium heute im Großen Festspielhaus zur Aufführung.

Morgenjournal, 30.7.2016

Service

Salzburger Festspiele - Halleluja - Oratorium balbulum

Eine Gesellschaft, die nur noch "Halleluja" rufen kann; ein weiblicher Engel, der ins irdische Leben eintaucht und die wichtigen Fragen der heutigen Zeit stellt; und ein stotternder Prophet, den die Wirklichkeit einholt. Librettist Péter Esterházy entwarf für Peter Eötvös' "Oratorium balbulum" ein dystopisches Szenario, das mittlerweile Realität geworden ist: Denn täglich prasseln auf die Welt Ereignisse ein, die niemand vorhersagen konnte.

"Esterházy hat uns das Denken gelehrt"

Schauspieler Peter Simonischek führt als Erzähler durch ein musikalisch-textliches Dickicht voller Visionen, die Péter Esterházy für dieses Auftragswerk schon 2010 niedergeschrieben hat, die an Aktualität aber kaum zu übertreffen sind. Komponist Péter Eötvös war mit dem erst Mitte Juli verstorbenen Schriftsteller seit Jahrzehnten befreundet. Als die Wiener Philharmoniker bei ihm ein Oratorium bestellten, wusste Eötvös, dass er Esterházy als Librettisten wollte.

"Er war ein Philosoph und ein sehr guter Fußballer, und er war gleichzeitig Aristokrat und Bauer. Für uns Ungarn war das Wichtigste, dass er uns gelehrt hat zu denken." Esterházy habe der ganzen Gesellschaft in kurzen, prägnanten Worten die Welt erklären können, sagt Eötvös.

Zeitdokument mit sarkastischem Humor

Auf der Suche nach einer prophetischen Figur sei der Autor auf den titelgebenden St. Gallener Mönch Notker Balbulus gestoßen, auch "Notker der Stammler" genannt; während Eötvös selbst berühmte und unbekannte Hallelujas aus der Musikgeschichte zusammengetragen und als Ausgangsmaterial für seine Musik benutzt hat. "Besonders stolz bin ich, dass ich ein vierstimmiges Halleluja von Mozart für Frauenstimmen entdeckt habe und von Bruckner nur für Männerstimmen", freut sich der Komponist.

Mit "Halleluja - Oratorium balbulum" haben Eötvös und Esterházy ein Zeitdokument geschaffen, bewusst fragmentarisch und mit sarkastischem Humor. Wobei Eötvös mit der deutschsprachigen Übersetzung des Esterházy-Textes gearbeitet hat.

Neben dem Erzähler und zwei Solisten sind der Chor des ungarischen Rundfunks und die Wiener Philharmoniker unter Daniel Harding zu hören. Nach der heutigen Uraufführung ist das "Oratorium balbulum" unter anderem Ende November beim Festival Wien Modern zu erleben.