Peter Esterhazy ist tot
Der ungarische Schriftsteller Péter Esterházy ist tot. Esterhazy verstarb 65-jährig an Bauspeicheldrüsenkrebs. 33 Romane, 24 davon in deutscher Übersetzung, hat Esterházy veröffentlicht. Er zählte zu den größten Schriftstellern der europäischen Gegenwart und wurde schon zu Lebzeiten mit Literatur-Auszeichnungen überhäuft.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15.7.2016
Esterházy erhielt im Jahr 2004 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels für sein Hauptwerk Harmonia Caelestis. Immer wieder tat sich der passionierte Fußballer aber auch als Kommentator der politischen Lage Ungarns hervor.
Im vergangenen Oktober gab Esterhazy öffentlich bekannt, dass er an Bauchspeicheldrüsenkrebs litt. Er unterzog sich einer Chemotherapie und ging mit seiner tödlichen Krankheit nach außen hin gelassen um. Bis zuletzt trat er in der Öffentlichkeit auf, so im Vormonat anlässlich der Budapester Buchwoche, bei der er die Eröffnungsrede hielt.
Spiel mit Identitäten
Er spielte gerne mit Identitäten und so wie sich selbst, so ließ Péter Esterházy auch seine Romanfiguren in unterschiedlichsten Aufzügen auftreten. Einfache Zuordnungen und geradlinige Erzählungen waren nicht das Metier des ungarischen Weltliteraten Esterházy. Und auch gegen das Aufgeben stemmte sich Esterházy trotz seiner Krebserkrankung.
Das fantastische Ausloten des Machbaren
Geboren wurde Péter Esterházy 1950 in eine alte österreichisch-ungarische Adelsfamilie im stalinistischen Ungarn. Nach der Matura am Budapester Piaristengymnasium studierte der junge Aristokrat Mathematik, obwohl Esterházy schon damals wusste, dass die Literatur seine Bestimmung sein würde.
Nachdem er als EDV-Spezialist auch in Deutschland tätig war, veröffentlichte er mit 26 Jahren sein erstes Buch – und läutete damit eine fulminante Literatur-Karriere ein. Kleine Ungarische Pornografie hieß etwa die Veröffentlichung mit der Esterházy 1984 die trostlose Realität des politischen Kommunismus bloßstellte. Literatur, das war für Esterházy immer auch das fantastische Ausloten des Machbaren.
Harmonia Celestis
Im Jahr 2000 veröffentlichte Esterházy sein Opus Magnum Harmonia Caelestis, das ihm vier Jahre später den Friedenspreis des deutschen Buchhandels einbrachte. Harmonia Celestis ist Esterházy Annäherung an die eigene Familiengeschichte und die berauschende Suche nach seinem Vater. Ein 900 Seiten Mammut-Projekt aus literarischen Schnipseln, Erzählungen und Essays.
Verweise auf die eigenen literarischen Welten zeichneten auch diesen Roman aus. Seine Figuren schickte er immer wieder auf das literarische Spielfeld, in immer neuen Konstellationen und mit immer neuen Aufgaben. Kunstvoll verspann er Erzählfäden, jonglierte mit Stilen und Perspektiven und erschuf so ein filigranes Mosaik und ungarische Weltliteratur.
Was man sagen will soll in den Zeilen stehen
Als Esterházy kurz nach der Veröffentlichung von Harmonia Caelestis erfuhr, dass auch sein Vater mit dem ungarischen Geheimdienst kooperierte, arbeitete er diese Tatsache in eine neue Version des Romans ein. Immer wieder verwob er neue Wirklichkeiten mit neuer Literatur und brachte beides gegenseitig in Schwingung.
Dass er sich dabei mehr oder weniger ausgewiesen auch an den Texten anderer bediente und sie in sein Panoptikum einbaute, brachte ihm wiederholt Kritik ein. Dennoch ist es genau diese Art der Verstrickung und der gegenseitigen Bezugnahme die das Werk Esterházys so reichhaltig macht.
Die Verknüpfung von Literatur und Wirklichkeit
Immer wieder beschäftigte sich Péter Esterházy mit dem Erbe des kommunistischen Regimes in seinem Land. Dass er nicht offen dagegen protestierte wurde ihm später von manchen angelastet.
Das Ungarn des Viktor Orban kritisierte Esterházy bis zuletzt vehement und häufig. Er schrieb an gegen die Bonzen-Mentalität der Orban Regierung und wurde daraufhin zensuriert. In Ungarn stellte er eine Vertrauenskrise fest, die das Land gespalten und tiefe Gräben aufgerissen habe.
Bis zuletzt verfolgte Esterházy seine Vorstellung der Verknüpfung von Literatur und Wirklichkeit. Erst im Mai machte er seine eigene Krebserkrankung in einer launigen Randbemerkung einer Rede öffentlich.