Roman über Kriegsfotografen "Daldossi"

Schon in Sabine Grubers Debütroman "Aushäusige" gab es die Figur des Kriegsberichterstatters. Jetzt, zwanzig Jahre später, hat Gruber einen Kriegsfotografen ins Zentrum ihres neuen Romans gestellt.

In "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" versucht ein von seinen Einsätzen schwer gezeichneter Mann, die Rückkehr in Alltag und Normalität. Das Buch schaffte auf Anhieb den Sprung an die Spitze der ORF-Bestenliste, und auch das deutsche Feuilleton sprach von einem der besten Romane dieses Sommers.

Morgenjournal, 4.8.2016

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Sabine Gruber, "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks", Roman, C. H. Beck

Abseits der Komfortzone

Bosnien, Tschetschenien, der Irak oder Afghanistan. Es gibt kaum einen Kriegsschauplatz, an dem Bruno Daldossi nicht fotografiert hat. Jetzt ist er sechzig und versucht den Absprung in Beziehung und Privatleben, doch die Bilder von toten Kindern, trauernden Angehörigen und Verstümmelten in Ruinen lassen ihn nicht los. An die zwei Dutzend Biografien von Kriegsfotografen hat Sabine Gruber gelesen, um die Figur ihres Daldossi zu formen.

Dabei sind ihr bestimmte wiederkehrende Muster in den Lebensläufen aufgefallen. So lassen sich Kriegsfotografen oft zwei verschiedenen Personengruppen zuordnen: "Die einen kommen aus Familien, wo Alkoholismus und Gewalt eine Rolle spielt; die anderen aus wohlsituierten Mittelstandsfamilien, die genug haben von dieser satten Konsumwelt, von dieser Komfortzone", so die Autorin.

Facettenreiches Bild

Das Handwerk des Fotografen hat sich Sabine Gruber selbst angeeignet. So stammt auch das Buchcover, das einen Außenbezirk von Kairo zeigt, von ihr. Und auch wenn sie selbst keine unmittelbaren Kriegsschauplätze bereist hat, die Situation in Krisengebieten hat sie genau recherchiert. Eine der eindringlichsten Erfahrungen war da der Besuch eines Kurses, den die deutsche Bundeswehr für Kriegsberichterstatter anbietet.

Bruno Daldossi ist im Roman umringt von anderen Kriegsfotografen, manche real, andere fiktiv. Durch diese Nebeneinanderstellung der Lebensläufe entsteht ein unglaublich facettenreiches Bild dieser Berufsgruppe. So erfährt man vom Schweizer Fotografen Werner Bischof, dass er ausgerechnet Schnecken fotografiert hat, bevor er zur Kriegsreportage gewechselt ist. Und von der Deutschen Anja Niedringhaus, die 2014 bei einem Attentat in Afghanistan erschossen wurde, liest man, dass sie sich zum Ausgleich zu ihren Kriegseinsätzen ein unerwartetes Kontrastprogramm verschrieben hatte: Kam sie aus den Kriegsgebieten zurück, so fotografierte sie Tennistourniere.

Packende Geschichte & kluger Essay

Sabine Gruber hat genau recherchiert und genau hingesehen und sie findet für ihren Fotografen, und das ist bei einem moralisch derart aufgeladenen Thema kein kleines Kunststück, die richtige Sprache. Hochemotional und doch völlig unprätentiös. Was den Roman "Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" darüber hinaus auszeichnet? Dass er so vieles gleichzeitig ist: Die packende Geschichte eines bei aller Hartgesottenheit traumatisierten Mannes, ein überaus kluger Essay über das Geschäft des Krieges und das Drama einer vom Krieg infizierten Liebe.

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