Karl-Markus Gauß: "Literatur und Kritik"

Die Zeitschrift "Literatur und Kritik" feiert diese Woche ihren 50. Geburtstag. Der österreichische Autor Karl-Markus Gauß hat 1991 die Herausgeberschaft übernommen und das damals einigermaßen verstaubte Flaggschiff der österreichischen Literaturkritik und Kulturpolitik wieder flott gemacht.

Mittagsjournal, 08.08.2016

Kritische Auseinandersetzung mit der Welt

Karl-Markus Gauß hat die Zeitschrift "Literatur und Kritik" nicht nur zu einem wichtigen Forum der intellektuellen Auseinandersetzung gemacht, sondern auch zu einer Startrampe für eine Zeitreise durch einige Jahrzehnte Europa im Wandel. "Die Marschrichtung war, diese Zeitschrift aus einer gepflegten Langeweile herauszuholen und Debatten anzustoßen - über Österreich, über Mitteleuropa, über die Literatur, die Politik und auch über das Leben", so der Herausgeber.

Und das ist Karl-Markus Gauß auch gelungen - mit literarischen Korrespondentenberichten aus aller Welt und mit Schwerpunktthemen, den so genannten Dossiers, die Einblicke geben in entlegene Literaturlandschaften vom Kosovo bis nach Belarus. Literatur und Kritik - die "Kritik", die im Titel vorkommt, meint nicht nur Literaturkritik, sondern ganz generell eine kritische Auseinandersetzung "mit der Welt wie sie ist und mit Europa, wie es werden könnte", wie es programmatisch heißt.

"Die EU-Vertiefung und -Erweiterung ist eigentlich zusammengefallen mit einer neoliberalen Globalisierung", so Gauß. "Die hat dann etliche Länder, die mit großer Hoffnung in die EU gekommen sind, abgehängt zur Peripherie, zum Aufmarschgebiet von internationalen Konzernen gemacht."

"Der Brexit könnte heilsam sein"

Auf diese Peripherien richtet Karl-Markus Gauß sein Augenmerk in seinen literarischen Arbeiten ebenso wie als Herausgeber von "Literatur und Kritik". Vor neoliberalen Haudegen, gesinnungslosen Egomanen und nationalistischen Lumpen warnt er denn auch im jüngsten Editorial seiner Zeitschrift und er wettert gegen die opportunistische Verlogenheit, mit der Politiker aus ganz Europa die Schuld an allem, was ihnen selbst missrät, auf Brüssel schieben.

"Es ist kurios zu beobachten, dass ausgerechnet jene, die alles dafür unternommen haben, dass die EU nicht wirklich funktionieren kann - weil sie immer mit ihren nationalstaatlichen Ressentiments und Sonderrechten hineingeschossen sind -, dass die jetzt noch Profit daraus ziehen wollen, indem sie sagen: Die EU bekommt nichts zusammen."

Ausgleich der Gegensätze

Der Brexit, meint Karl-Markus Gauß, könnte eine heilsame Sache sein, nachdem die Briten die EU nicht länger boykottieren werden. Andererseits werden sich die Gegensätze innerhalb der Union verschärfen, und das könnte auch eine Chance sein. "Es ist auch, glaube ich, notwendig, dass die real existierenden Konflikte innerhalb der EU nicht mehr zugedeckt werden, sondern dass auch herauskommt: Was sind die wahren Gegensätze?"

Wenn der Ausgleich dieser Gegensätze nicht gelingt, dann ist der gemeinsame Weg wohl zu Ende, meint Karl-Markus Gauß, und er fügt hinzu: Die Folgen werden verheerend sein. Alte Konflikte und Feindseligkeiten werden aufbrechen und die gesamten kulturellen zivilisatorischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte zunichtemachen.

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