"Der Beobachter" - Riesenbild von Golif

In Wien wird heute eines der größten je von einem Künstler geschaffenen Bilder eingeweiht - auf einer 30.000 Quadratmeter großen Fläche im dritten Bezirk, nahe der Marx Halle. Das Werk des aus Tirol stammenden Künstlers Golif ist auf den betonierten Boden des Areals gemalt und nennt sich "Der Beobachter".

"Der Beobachter" , ein Kunstwerk auf der Liegenschaft Karl-Farkas-Gasse 1

APA/DIETER BRASCH

In den nächsten Jahren soll auf dem Gelände ein Wohn- und Gewerbegebiet entstehen.

Kulturjournal, 17.8.2016

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Im Rahmen der Kunstmesse Vienna Contemporary kann man den "Beobachter" aus der Luft zu betrachten: am 16. November zwischen 14 und 16 Uhr.

Eine Ausstellung des Künstlers Golif ist ab 1. September in der KMG Art Gallery in der Mariahilfer Straße zu sehen.

Golif aus 60 Meter Höhe betrachten

Schaukelnd steigt die Gondel vom Boden auf. Mit ein paar knirschenden Rucken fährt dann der Kranarm zu seiner vollen Länge aus. Man muss sich mit dem Lastwagenkran in die Höhe befördern lassen, um das Riesenbild von Golif richtig zu sehen. 60 Meter über dem Betongrund schwebend, erblickt man ein breites jungenhaftes Gesicht. Kalkweiß mit schwarzen Augenschlitzen, die auch Brauen sein könnten. Die untere Gesichtshälfte kippt ins Schwarz, als wäre es ein Tuch vorm Mund; aber eine angedeutete Nase sieht man trotzdem. In der Rätselbild- und Vexierbild-Anmutung, der abstrakten Zeichenhaftigkeit liegt die Qualität dieses Gesichts auf 30.000 Quadratmetern, das von unten in den Himmel über Neu Marx blickt.

"Es ist mir ganz wichtig, dass jeder sich seine eigene Meinung und auch sein eigenes Gesicht bildet. Bei dem Gesicht des Beobachters entscheidet, was jeder in dem Sujet sehen möchte", sagt Golif. Der in Tirol aufgewachsene Künstler nennt auch seine Figuren Golifs. Es sind häufig streng bebrillte, bärtige, unbestimmt melancholisch blickende Männer; komponiert aus grafischen schwarz und weißen, scharf gegeneinander abgegrenzten Flächen.

Wer in den vergangenen Monaten die Linke Wienzeile Richtung Westausfahrt fuhr, konnte so einen Golif beobachten: einen Mann in Frontalansicht hinter dem Steuer eines Autos - zuerst in der Totale, dann immer näher gezoomt. "Stop Motion" hieß das Band aus fünf eindrucksvollen Riesenbildern auf einer inzwischen abgerissenen Lagerhalle.

Fünf Tonnen Öko-Farbe

"Der Beobachter" auf der Freifläche bei der Marx Halle wurde mit einem speziellen Farbsprühgerät ausgeführt. "Man kann sich das so vorstellen wie einen großen Kärcher, wo Farbe herauskommt. Eigentlich war es eine Spraydose; nur dass diese Spraydose 30 cm breite Striche macht und 200 Bar hat", erklärt der Künstler. Ein Sponsor hat für das gigantische Bild fünf Tonne Öko-Farbe ohne kontaminierende Stoffe hergestellt.

Insgesamt 450 km hat Golif dabei zu Fuß mit dem Gerät zurückgelegt. Dieses ist mit Pappe außen als Panzer verkleidet; daneben steht ein ebenfalls mit Pappe skulptural gestalteter alter Rennwagen, der in einem Promo-Video über den sechs Fußballfelder großen Malgrund rast. Mittels eines Rasters wurde der Entwurf auf das Areal übertragen.

"Man muss sich das vorstellen wie ein großes Schachbrett. In den einzelnen Kacheln dieses Schachbrettes hab‘ ich mich immer aufgehalten und hab‘ gemalt. 10 mal 10 Meter sind auf der Skizze 1 cm2. Und so überträgt sich das Bild auf dem Din-A4-Zettel auf 30.000 m2", erklärt der Künstler.

Mehr als ein Street Artist

Golifs Bildsprache steht der Street Art und auch der Ästhetik von Graphic Novels nahe; wobei er sich ungern auf eine künstlerische Kategorie festlegen lassen möchte. Weil er sich nicht allein als Street Artist sieht, findet er auch für sich die alte Debatte irrelevant, ob Street-Art-Künstler kommerzielle Aufträge annehmen und Teil des offiziellen Kunstbetriebs werden sollten. "Das geht schon seit Basquiat so, die letzten 25 Jahre, dass sich Street Art in Galerien verkauft. Ich glaube, jeder sollte sich in dem Rahmen bewegen, wo er möchte. Wenn Leute irgendwie unangemeldet lieber malen gehen, dann sollen sie’s machen. Ich werde mich jetzt da auf keinen Fall in die Bresche werfen für irgendwelche Leute und sagen, ja, um Gottes Willen, illegal malen ist so super. Ich halte mich da raus. Ich finde aber den kreativen Austausch mit der Bevölkerung generell positiv."

Ein temporäres Kunstwerk

Golifs "Beobachter" in Neu Marx wird dann mit einigem zeitlichen Abstand auch im Netz auf Google Earth aufscheinen - wohl innerhalb des nächsten halben Jahres. In natura wird er erst etwa 2019 mit der Verbauung des Geländes unter der Ägide der Wien Holding verschwinden. Das Areal ist Stadterweiterungsgebiet. Hier werden zur Hälfte Büroflächen für kleinere Betriebe entstehen und zur Hälfte Wohnungen, erklärt Wien Holding-Geschäftsführerin Sigrid Oblak.

"Wir gehen davon aus, dass zwischen 800 und 1.000 Wohneinheiten hier entstehen könnten. Mit Sicherheit ein Teil geförderter Wohnbau; aber wir wollen uns auch konzentrieren auf neuere Wohnformen, Alt/Jung zusammen, Wohnungen, die wachsen und wieder kleiner werden können. Also wir versuchen da auch ein bisschen experimentell unterwegs zu sein."

In der benachbarten Marx Halle oder Rinderhalle finden jetzt immer wieder Konzerte statt; ab Mitte 2017 dann nicht mehr, denn es sollen dort Start-ups angesiedelt werden. Trotzdem wird die denkmalgeschützte Halle mit ihrer offenen Deckenkonstruktion weiterhin für Publikum zu besichtigen sein. Im September findet dort wieder die Kunstmesse Vienna Contemporary statt. Und Golifs Riesenbild "Der Beobachter" auf dem Freigelände nebenan kann man sich im November im Rahmen der Vienna Art Week mittels Kran aus 60 Meter Höhe ansehen.