Von Peter Wohlleben

Das Seelenleben der Tiere

Peter Wohlleben gehört zu den erfolgreichsten Sachbuchautoren in Deutschland und Österreich. Der Autor sieht den Wald als eine Gemeinschaft von Individuen. Für seine Fans ist er ein Rebell des Waldes, andere belächeln ihn als esoterischen Baum-Umarmer, Waldflüsterer oder Baum- und Tierversteher. Nun ist das nächste Buch erschienen: "Das Seelenleben der Tiere".

Reh

VERLAG LUDWIG

Kontext, 26.08.2016

Eine Grundthese zieht sich durch alle 40 Kapitel: Menschen und Tiere teilen sich dasselbe genetische Erbe. Anders ausgedrückt:
Tiere sind auch nur Menschen. Folglich ist das Gefühlsleben, das Menschen sich selbst zugestehen, natürlich auch in der Tierwelt anzutreffen. Der Waldhüter, wie Wohlleben sich selbst nennt, beschreibt zum Beispiel, wie ein Elstermännchen sein Vogelweibchen ganz bewusst betrügt. Sobald das Elsterweibchen außer Sichtweite ist, fängt es an, mit fremden Weibchen zu balzen.

Wohlleben beobachtete, dass der Vogel ganz genau unterscheiden kann, was erlaubt ist und was nicht. Vor ein paar Jahren wäre er für solche Beschreibungen noch als sympathischer Spinner oder Naturromantiker abgetan worden. Mittlerweile akzeptieren immer mehr Menschen, dass wir nicht nur mit dem Menschenaffen verwandt sind, sondern auch mit Goldfischen, Waldmäusen oder Raben. Bei seinen tierischen Beobachtungen fiel dem Autor auch eine Studie auf, in der kanadische Wissenschaftler beobachteten: Tiere wie Fliegen zappeln im Schlaf mit den Beinen, ebenso wie Hunde, Pferde oder Menschen und "möglicherweise können Fruchtfliegen sogar träumen."

Peter Wohlleben widmet sich auf 240 Seiten der ganzen Bandbreite vermeintlich nur menschlicher Gefühle: Dankbarkeit, Lug und Trug, Spaß und Humor, aber auch Altruismus und Reue. Wenn der Autor beschreibt, wie eine Hirschkuh trauert, nachdem ihr Kalb erschossen wurde, gibt er "erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt", wie es im Untertitel des Buches heißt. Für den Förster ist es kaum nachvollziehbar, dass die Wissenschaft trotz der vielen Studien immer noch daran zweifelt, ob man Tieren menschliche Regungen oder gar ein Seelenleben zutrauen darf. Wohlleben geht davon aus, dass es nicht die Gefühle sind, die uns von Tieren unterscheidet. Es ist die Fähigkeit, dass wir Menschen uns unseres Verstandes bedienen können, um Emotionen auszulösen oder zu unter-drücken. „Letztendlich werden wir nie erfahren, ob sich Angst, Trauer, Freude oder Glück für Tiere genauso anfühlen wie für uns“, schreibt er. Fest steht für ihn dagegen: Wir Menschen funktionieren in vielen Bereichen wie die Tiere. Denn Gefühle sind für Wohlleben die Sprache der Instinkte. Dass Peter Wohlleben mit seinen Anekdoten Hunde, Pferde, Eichhörnchen oder Fruchtfliegen vermenschlicht, hat einen guten Grund.

Service

Peter Wohlleben, "Das Seelenleben der Tiere: Liebe, Trauer, Mitgefühl - erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt", Ludwig Verlag