Abschied vom Pressefoyer

45 Jahre lang haben sich die österreichischen Bundeskanzler nach der wöchentlichen Regierungssitzung den Fragen der Journalisten gestellt. Im sogenannten Pressefoyer, das Bruno Kreisky 1971 erfunden hat. Christian Kern hat das nach gerade einmal hundert Kanzlertagen jetzt eingestellt. Statt Bundeskanzler und Vizekanzler stehen die Regierungskoordinatoren Rede und Antwort, eine österreichische Variante des deutschen Regierungssprechers. Für Kritiker ist das ein Rückschritt.

Beine und Teppich

APA/HERBERT PFARRHOFER

Morgenjournal, 31.8.2016

Journalistenverbände protestieren

Es könne nicht im Sinne politischer Transparenz sein, wenn den Medien eine Möglichkeit genommen wird, Kanzler und Vizekanzler persönlich zu ihrer Verantwortung bei wesentlichen Themen zu befragen, lautet ein Schlüsselsatz aus einer gemeinsamen Protest-Aussendung sämtlicher Journalistenverbände und des ORF-Redakteursrats. Damit gehe ein Stück Pressefreiheit verloren, weil die Möglichkeit zu kritischem Nachfragen zugunsten von Einweg-Kommunikation etwa über den angekündigten neuen Kanzler-Blog drastisch eingeschränkt werde.

Regierungskoordinatoren am Zug

Statt Kanzler und Vizekanzler werden sich künftig die Regierungskoordinatoren Minister Thomas Drozda von der SPÖ und Staatssekretär Harald Mahrer von der ÖVP den Fragen der Journalisten stellen. Ein Regierungssprecher wie in Deutschland ist angedacht worden, war dann aber doch zu kompliziert. Steffen Seibert, der diese Rolle in Berlin ausfüllt, ist nämlich beamteter Staatssekretär und Mitglied der Bundesregierung. Eine solche Funktion gibt es bei uns nicht.

Beschlüsse veröffentlicht

Hälfte-Regierungssprecher Drozda hat jedenfalls angekündigt, dass ab kommender Woche sämtliche Ministerratsbeschlüsse veröffentlicht werden sollen, wenn nicht Datenschutzgründe dagegen sprechen. Dann werde wörtlich vollständige Transparenz herrschen, so Drozda. Die Beschlüsse waren für Journalisten freilich auch bisher meist zugänglich, der Transparenzgewinn hält sich also in Grenzen. Die Wiedereinführung von Ministerratsprotokollen ist übrigens nicht geplant, heißt es im Büro Drozda - obwohl davon in Zusammenhang mit dem geplanten Gesetz über die Informationsfreiheit die Rede war. Das war 2013, auch der damalige Staatssekretär Kurz von der ÖVP hat sich damals für mehr Transparenz ausgesprochen. Das Protokollieren in den Regierungssitzungen hat der damalige Kanzler Schüssel im Jahr 2000 abgeschafft.

Apropos Transparenz: Bundeskanzler Kern hat betont, Journalisten würden weiterhin Zugang zu ihm haben. Regelmäßige Hintergrundgespräche mit dem Kanzler sind geplant, zu denen vermehrt auch Fachjournalisten und nicht nur Innenpolitik-Journalisten eingeladen werden sollen