Von Wolfgang Schmidbauer
Enzyklopädie der dummen Dinge
Manche Elektrogeräte im Haushalt sind durchaus praktische Gegenstände: eine elektrische Zahnbürste zum Beispiel, ein Rasierapparat oder ein Mixer. Andere dagegen scheinen von eher zweifelhaftem Nutzen: der elektrische Brot- und Wurstschneider, die Parmesanmühle mit Motor, der batteriebetriebene Dosenöffner. Wolfgang Schmidbauer nennt sie "Kleinkraftsklaven" und hält sie für dumme Dinge.
8. April 2017, 21:58

OEKOM VERLAG
Kontext, 9.9.2016
In seiner ebenso geistreichen wie unterhaltsamen, immer pointiert und nicht selten überspitzt argumentierenden "Enzyklopädie der Dummen Dinge" beschäftigt sich Wolfgang Schmidbauer mit Dingen, die "so viel Intelligenz verzehrt" haben, während sie konstruiert wurden, "dass schließlich dem Benutzer gar keine Gelegenheit mehr bleibt, seine Intelligenz einzusetzen". Während schlichte Werkzeuge unsere Geschicklichkeit fordern, kommen motorisierte oder automatische Instrumente unserer Bequemlichkeit entgegen – und machen dumm.
Insgesamt 41 Gegenstände nimmt Schmidbauer in seiner keineswegs Vollständigkeit beanspruchenden, polemisch-glossierenden "Enzyklopädie der Dummen Dinge" aufs Korn – vom Auto bis zum Wochenendhaus, vom Lichtschalter bis zum Toilettenpapier, vom Handy bis zur Spielkonsole. Die Ampel ist ein „dummes Ding“, da sie die "potenzielle Selbstdisziplin der Verkehrsteilnehmer" durch starre Regelungen ersetzt. Der Rasenmäher ist dumm, da er – im Gegensatz zur Sense – laut, stinkend und wartungsintensiv ist und nur primitive Bewegungsabläufe erfordert. Die Fernsteuerung ist wenig intelligent, weil sie "Bewegungen raubt, die sonst nötig wären, und jene sinnlos fragmentierten Abende schafft, in denen ein hypnotisierter Konsument von einem frustrierenden Kanal zum nächsten zappt". Und wie viel "ökologische Geistesschwäche" in einem Kühlschrank eingebaut sei, bemerke man im Winter, so Schmidbauer, "wenn draußen die Kälte klirrt und drinnen der Kompressor surrt".
Die "dummen Dinge" werden wir wohl nicht mehr los. In einer auf wachsenden Warenkonsum, Effizienzsteigerung und Multitasking getrimmten Welt werden es immer mehr. Dabei verschont uns der Autor mit hippen Innovationen wie Google-Brillen, Smartwatches mit Beschleunigungsmesser oder Haushaltsrobotern. Sie kommen bei ihm ebensowenig vor wie das "Internet der Dinge". Auch wenn man nicht immer Schmidbauers Einschätzungen folgen wird, auch wenn das eine oder andere bei ihm allzu nostalgisch gefärbt wirkt, eines scheint unstrittig: dass wir uns oft unüberlegt der schönen neuen Warenwelt ausliefern mit ihren nicht immer sinnvollen Modernisierungen und Reglementierungen, und dass oft nicht das Neue, sondern das Einfache das Schöne und Bereichernde ist. In diesem Sinne ist die "Enzyklopädie der Dummen Dinge" – ein kleines, anregendes und flott geschriebenes Büchlein – ein sympathisches Plädoyer zum Umdenken.
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Wolfgang Schmidbauer, "Enzyklopädie der dummen Dinge", Oekom Verlag