Von Abdel Bari Atwan

Das digitale Kalifat

Der Islamische Staat beruht auf zwei Pfeilern, auf seinem Territorium und auf einer digitalen Infrastruktur, mit der er effizient organisiert wird. Dieser Meinung ist der palästinische Schriftsteller und Journalist Abdel Bari Atwan. Vor Jahren interviewte der palästinensische Journalist Osama Bin Laden in seiner Bergfestung, in seinem aktuellen Buch "Das Digitale Kalifat" befasst er sich mit dem Islamischen Staat und seinem Propagandakrieg im Internet.

Kontext, 9.9.2016

Ohne die digitale Technik hätte der Islamische Staat wohl nie entstehen, geschweige denn sich so lange halten und sogar sein Territorium ausweiten können, glaubt der palästinensische Autor Abdel Bari Atwan. Der IS kämpfe an allen Fronten, auch in der virtuellen Welt. Der Islamische Staat fährt eine breite Online-Strategie. Zu den wichtigsten Organisationen gehören das Al-Hayat Medienzentrum und eine syrische Filmfirma. Seit 2014 produziert der Propagandaapparat gezielt Inhalte für verschiedene Kanäle, um seine extremistischen Botschaften und gewaltgeladenen Bilder zu verbreiten. Für die Zielgruppe "europäischer Markt" werden aufwändig gestaltete Propagandafilme mit HD-Kameras und Spezialeffekten in deutscher und englischer Sprache gedreht.

Der IS hebt die Medienstrategie der Al Qaida auf eine neue Stufe, schreibt Abdel Bari Atwan, während früher nur die Führungsriege Videos veröffentlichte, betreibt heute jeder Jihadist sein eigenes kleines Nachrichtenportal und berichtet auf Twitter live von der Front. Die Strategie: die Botschaften auf Twitter, Facebook, Youtube und Instagram immer und immer wieder wiederholen und teilen. Auch Informationen über Prominente in Sozialen Medien werden über Hashtags für die Zwecke der Islamisten instrumentalisiert.

Dem titelgebenden digitalen Kalifat widmet sich Abdel Bari Atwan nur in einigen Kapiteln, sein lesenswertes Buch umfasst mehr als lediglich den Kampf im Internet. Abdel Bari Atwan unternimmt einen historischen Ausflug in den Irak und nach Syrien, er porträtiert den "unsichtbaren Scheich", den IS-Anführer Al-Baghdadi und er gibt Einblicke in die Strukturen des Islamischen Staates. Weil die technikbegeisterten Cyber-Jihadisten jedes Instrument nutzen, das ihnen zur Verfügung steht, ist es ihnen gelungen, frustrierte marginalisierte und verletzliche junge Leute in ihren Bann zu ziehen und sie von ihrer Weltsicht zu überzeugen, schreibt Abdel Bari Atwan in seinem warnenden Nachwort.

Service

Abdel Bari Atwan, "Das Digitale Kalifat. Die geheime Macht des Islamischen Staates", C.H.Beck Verlag