Bibelessay zu Amos 8, 4 – 7

Hart sind sie, die Worte des Amos, hart und direkt. Unerbittlich sein Nein, scharf sein Protest im Namen JHWHs, des Herrn. Adressiert an die damalige Oberschicht in Israel: „Die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt!“ (V.4).

Korrupte Machenschaften, die Amos aufgreift und als solche anprangert: Betrug im Geschäftsleben, Ausbeutung von sozial Benachteiligten und Menschenhandel. Vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden niedergeschrieben, wirkt seine Analyse auf mich zeitlos aktuell, fasziniert mich sein kompromissloses Engagement.

Amos, von Beruf Kleinviehhirt und Maulbeerfeigenzüchter, Amos stammt aus Tekoa. Es liegt etwa 20 km südlich von Jerusalem, am Übergang des Kulturlandes in die Steppe. Er tritt im achten vorchristlichen Jahrhundert auf; um 760, wie die meisten Experten angeben. Amos lebt und arbeitet im Mini-Staat Juda. Warum er über die nahe Grenze nach Norden geht, wissen wir nicht. Auch wie lange er im „Nordreich Israel“ Klartext redet, lässt sich nicht mehr feststellen. Wahrscheinlich nur kurz. Denn die Allianz von Thron und Altar ist mächtig: Kühl verweist ihn der Oberpriester von Bet-El aus dem Land Israel. „Geh, Seher! Flüchte ins Land Juda! Iss dort dein Brot, und tritt dort als Prophet auf!“ „Hier darfst du nicht mehr reden; denn das ist ein Heiligtum des Königs und ein Reichstempel“ (Am 7,12f).

Die „Stunde des Amos“ fällt in die Zeit einer Hochkonjunktur am Rand der nahen Katastrophe. Israel erlebt ein frühkapitalistisches Wirtschaftswunder. Es kommt zu einem scharfen Gegensatz zwischen dem Luxus der Großgrundbesitzer und dem Elend rechtloser Pächter. Den Wohlstand begleitet die Show der Wohlanständigkeit. Religion erschöpft sich in Betriebsamkeit: Die Menschen strömen zu den großen Wallfahrtsfesten. Fromm erklingen die Lieder, auf den Altären rauchen die Fettopfer.

Nach diesen „Gottes-Diensten“ aber dient man dem Geschäftemachen. „Wann ist das Neumondfest vorbei? Wir wollen Getreide verkaufen“ spottet Amos über die skrupellose Profitgier der Reichen. „Und wann ist der Sabbat vorbei? Wir wollen den Kornspeicher öffnen, das Maß kleiner und den Preis größer machen und die Gewichte fälschen“ (V.5).

Auch andere biblische Propheten treten mahnend und warnend auf; aber kaum einer versteht es, so geschliffen zu formulieren wie Amos. Als Beispiel seiner Berufung, ein einziger knapper Satz: Adonaí JHWH dibér mi lo jinabé – „JHWH, der Herr, spricht; wer wird da nicht zum Propheten?“ (Am 3,8). Vieles, vor allem die Kritik am Opferkult sowie der pointierte Protest gegen soziale Missstände, vieles stammt wohl von Amos selbst. Anderes wieder verdanken wir seinen Schülern oder gar erst Redaktoren aus der Zeit nach dem Exil in Babylon. Das uns heute vorliegende Büchlein Amos gilt als älteste Schrift, die nach einem Propheten benannt ist. Es umfasst neun kurze Kapitel, entfaltet aber mit seiner Botschaft eine gewaltige Nachwirkung im alten Israel.

Der dreijährige Lesezyklus der Bibel im katholischen Sonntagsgottesdienst sieht nur drei kurze Abschnitte aus diesem Büchlein vor, auch am kommenden Sonntag. „Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und räkelt euch auf euren Pölstern“, heißt es da in Kapitel 6. „Darum müssen sie jetzt in die Verbannung. Das Fest der Faulenzer ist vorbei!“ Worte des Amos, hart und direkt.

Was der Alttestamentler Hans Walter Wolff betont: „Man muss an Prophetentexten arbeiten, bis die Texte in uns arbeiten“, das erlebe auch ich immer wieder. Vor allem bei Texten des Amos. Sie sprechen mich an, sie rütteln mich auf. Sie arbeiten in mir.