Die Welt in drei Worten
Vergesst GPS-Koordinaten und lange Adressen: Drei Wörter reichen, um jeden Ort der Welt zu lokalisieren, sagt das britische Start-up What3words.
8. April 2017, 21:58

Das Wiener Funkhaus hat auf der what3words-Karte im Eingangsbereich die Adresse: "brauchen.aufführt.lauter" - kein Scherz. Versuchen Sie es selbst über den Link am Fuß der Seite.
what3words
Meine Adresse, an der ich jeden Morgen aufwache, besteht aus drei Wörtern. So lautet sie: „wieso.glücklich.bargeld“. An dieser Adresse trinke ich dann meinen Morgenkaffee: „reiseziel.überhaupt.gehören“.
Und das sind die zu drei Wörtern übersetzten, weil komplizierten GPS-Koordinaten jenes Standpunktes, an dem sich mein Schreibtisch in der Diagonal-Redaktion befindet: „werke.zentrale.treten“. Hier verbringe ich also den Vormittag, bevor ich Hunger bekomme und exakt an „geistesblitz.tänzerin.lebewesen“, meinem Stammtisch in der Kantine Platz nehme.
Diese seltsamen Drei-Wortkombinationen, sind Adressen. Sie befinden sich allesamt im Funkhaus Wien, dessen Adresse ihnen bisher vielleicht nur als Argentinierstraße 30A bekannt war. Doch diese eine Adresse ist noch in weitere, genauere Sub-Adressen unterteilt.
Die Welt in neun Quadratmeter-Flächen geteilt
Sie werden nun sagen: Wozu das alles? Ein präzises Koordinatensystem - das GPS - gibt es doch schon. Aber ganz ehrlich, würden Sie sich „48 Grad 11 Minuten 41 Sekunden Nord; 16 Grad 22 Minuten 23 Sekunden Ost“ merken können? Vor allem von Orten mit uneinheitlicher oder sogar völlig fehlender Adressierung? Immerhin betrifft dieses Problem - weltweit - sehr viele Menschen in 135 Ländern. Denken Sie an die Wüste oder an informelle Siedlungen. Und genau dieses Problem will das Londoner Startup „what3words“ lösen. Die Londoner sind angetreten den Alltag vieler Millionen Menschen erleichtern zu wollen.
„what3words“ hat nun also ein globales Raster entwickelt, das die Welt in 57 Billionen Quadrate aufteilt. Und jedes dieser Quadrate – neun Quadratmeter groß - hat eine Adresse, die eben aus drei Wörtern besteht. Es sind jene drei Wörter, die sich aus dem Adressierungssystem der Techniker und Geografen des Startups ergeben. Die Idee klingt einfallsreich und unterhaltsam, zunächst aber vielleicht etwas belanglos. Sie wird jedoch bereits auf der ganzen Welt mit großem Erfolg genutzt.
Nicht anerkannte Orte finden
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen etwa benützt dieses Adresssystem für viele ihrer Projekte. Die Mongolische Post hat durch die präzise und vereinfachte Adressierung einen Weg gefunden, um im Land mit der weltweit niedrigsten Bevölkerungsdichte seine Post akkurat und effizient auszustellen. Sogar beim Glastonbury-Festival in England, eines der weltweit größten Musik- und Theater-Festivals, wurden „what3words“-Adressen von Einsatzkräften verwendet, um verletzte Personen präzise orten zu können.
Auf dem Amtsweg, bei der Bank, oder beim Abonnieren von Zeitschriften sind Adressen eine ständige Notwendigkeit. Doch es gibt eben – wie bereits erwähnt - weltweit Milliarden Menschen ohne genau eine solche Adresse. Zum Beispiel die Einwohner von Slums und Favelas. Diese informellen Siedlungen werden nicht vom Staat genehmigt und also auch nicht von diesem versorgt und adressiert. Dabei leben laut UN 33 Prozent der Menschen im globalen Süden an solchen nicht anerkannten Orten. Oft fehlen dort Strom und Sanitäranlagen, und Bewohner werden geografisch und sozial ausgegrenzt.
Humanitäre Hilfe
Eine fehlende Adresse scheint auf den ersten Blick nicht das dringendste Problem zu sein. Doch ohne Adresse kann man sich nicht an das Stromnetz anschließen, keine Post empfangen, kein Bankkonto eröffnen, keine Anzeige bei der Polizei erstatten, oder ist nicht wahlberechtigt. Keine Adresse zu haben, heißt also, keine Identität zu haben.
Einfach, schnell und präzise - das sollten die Vorteile von „what3words“ sein. Und nicht nur für die nationale Kartierung wäre die Standardisierung dieses Adresssystems hilfreich. Wenn es nach „what3words“ geht, werden in Zukunft nicht nur Slumbewohner und mongolische Postträger von diesem System profitieren. Die Londoner Firma möchte sich auch mit humanitären Hilfsprojekten, lebensnotwendigen Lieferungen, Notfallmaßnahmen, mit Eventplanung, Navigation und Reisen beschäftigen. Damit der Umgang mit komplizierten Navigations- und GPS Daten, Längen- und Breitengrad Angaben bald ein Ende hat. Und viele Menschen ohne Adresse doch eine bekommen.
what3words
Auf what3words lassen sich die einzelnen Sektoren erkunden. Entweder indem man die traditionelle Adresse eingibt oder die Karte auf eigene Faust erkundet. Das Ganze gibt es auch als App für Android und iOS, hier lässt sich mithilfe eines Kompasses auch zu einer bestimmten Adresse in der Nähe navigieren oder der eigene Standort über Dienste wie WhatsApp mit anderen teilen. Bislang gibt es nur die Version in englischer Sprache. Für NGOs ist der What3words Dienst kostenlos und das soll auch so bleiben.
Gestaltung: Klara Fritz