Interview

Eugenides - Die Liebe in Zeiten Trumps

Jeffrey Eugenides zählt neben Jonathan Franzen zu den großen epischen Erzählern der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur. Sein fiktiver Lebensbericht eines Intersexuellen, "Middlesex", wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet; sein 2011 erschienener Roman "Die Liebeshandlung" folgt über Jahre einer komplizierten Dreiecksbeziehung.

Kulturjournal, 22.11.2016

Bei den Erich-Fried-Tagen war Eugenides zu Gast. Ö1 sprach mit ihm über seinen letzten Roman "Die Liebeshandlung", Anna Karenina und die USA nach den Präsidentschaftswahlen.

Mann mit Brille und Bart

"Militärische Streitlust und völlige Ignoranz was Umweltthemen betrifft, sind die beiden Punkte, wo ich meine größten Befürchtungen habe."
Jeffrey Eugenides zum designierten US-Präsidenten Donald Trump

APA/Roland Schlager

Die Liebeshandlung

Ein Ostküsten-College zu Beginn der 1980er Jahre. Madeleine wird von zwei Männern umworben, und alle drei begeistern sich für Philosophie und lesen Roland Barthes. Heißt: Das Nachdenken über die Liebe und das Liebemachen halten sich in etwa die Waage. Jeffrey Eugenides hat sich in seinem Roman "Die Liebeshandlung" mit romantischen Konzepten und ihrem Überleben quer durch die Zeiten beschäftigt und da will er auch heute Abend im Akademietheater einhaken.

Jeffrey Eugenides: "Es wird mit der romantischen Literatur des viktorianischen Zeitalters losgehen, weil es mich interessiert, ob diese Bücher, mit all den Anspielungen und Träumen, die in ihnen enthalten sind, noch immer unser Denken über die Liebe beeinflussen." Bei der feinen Ironie, die in Eugenides' Büchern aufblitzt, und seinem gleichzeitigen Geständnis, dass er überzeugter Romantiker sei, verspricht das ein ebenso gedankensprühender wie humorvoller Abend zu werden.

"Durch Botenstoffe übertragene Paranoia"

Vergangen ist dem genialen Satiriker Eugenides das Lachen allerdings am 8. November mit der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten. Eugenides stammt ja aus Detroit, der einst blühenden und jetzt völlig maroden Industriemetropole. Im dortigen Bundesstaat Michigan hat man bei den letzten beiden Wahlen Obama seine Stimmen gegeben, vor zwei Wochen errang aber Trump die Mehrheit.

Jeffrey Eugenides: "Es gibt da eine wie durch Botenstoffe übertragene Paranoia, das Gespenst des Terrorismus und die falschen Fakten, mit denen die Menschen gefüttert wurden. Neben einer berechtigten Verzweiflung über die wirtschaftlichen Zustände hat eben auch diese eklatante Desinformation der Bevölkerung zu diesem Wahlergebnis geführt."

Jetzt beobachtet Eugenides angespannt, wie Trump seine Getreuen um sich schart: "Das Kabinett formt sich gerade, und es sieht aus, als würde da eine sehr streitlustige, militaristische, rechte Gruppe zusammenkommen. Und das beunruhigt mich. Man kann nur abwarten, was dieser Mann als nächstes macht, denn es ist kaum möglich zu sagen, woran er glaubt, falls er an irgendetwas glaubt."

"Größten Befürchtungen: Umwelt & Militär"

Jeffrey Eugenides lehrt derzeit an der Princeton University Kreatives Schreiben. Für seine in mehrfacher Hinsicht schwergewichtigen Romane - sowohl "Middlesex", als auch "Die Liebeshandlung" haben mehr als sechshundert Seiten - lässt er sich Zeit: Neun Jahre liegen zwischen den beiden Büchern.

Jetzt arbeitet Eugenides an einem Kurzgeschichtenband, wann immer ihn die politische Situation zur Ruhe kommen lässt: "Ganz konkret habe ich Angst, dass Trump sich aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen und dass er versuchen wird, das Atomabkommen mit dem Iran neu aufzurollen. Militärische Streitlust und völlige Ignoranz was Umweltthemen betrifft, sind die beiden Punkte, wo ich meine größten Befürchtungen habe."

Wie man in Zeiten von Trump über die Liebe redet - Jeffrey Eugenides wird es heute Abend im Akademietheater vormachen.

Service

Jeffrey Eugenides, "Die Liebeshandlung", aus dem Englischen übersetzt von Uli Aumüller und Grete Osterwald, Rowohlt

Princeton - Jeffrey Eugenides, Lewis Center for Arts