Hans Hurch

In meiner Kindheit und Jugend in den 1960ern hatten wir keinen Fernseher daheim. Das war eine erzieherische und kulturelle Idee meiner Eltern. Damals war das ungewöhnlich. Bei der Kubakrise saß die ganze Familie vor unserem alten Tastenradio und alle waren sehr angespannt über die Entwicklungen. Ich erinnere mich noch an den Satz meines Vaters: "Jetzt ist es aus - jetzt kommen die Kommunisten!"

Hans Hurch

Hans Hurch, Viennale-Direktor

Lukas Beck

Mit Ö1 hab ich begonnen, Radio mehr als gesprochenes Medium wahrzunehmen. Die Sendung Diagonal hör ich seit 30 Jahren, glaub ich. Damals noch mit Treiber, Kos und Schrott. Das ist ein großartiges Format. Vor ein paar Wochen war ein Stadtporträt über Havanna, das war genial. Ich war selbst zweimal in Kuba; beim Zuhören sind in meinem Kopf Bilder entstanden.

Vor allem dieses Potenzial, nämlich Bilder im Kopf entstehen zu lassen und Momente greifbar zu machen, zeichnet Ö1 aus. Wenn ich den Weg zur Muttermilchsammelstelle beschrieben bekomme, sehe ich förmlich die Schwarzweißbilder an den Wänden im Gang hängen, obwohl ich im Prinzip gar nichts damit zu tun hab.

Ö1 hat die Qualität, im Grunde auch was Optisches zu haben. Manchmal sind die Bilder, die durch das Hinhören evoziert werden, viel stärker.

Was Ö1 auch drauf hat, ist das Maß an System und Zufälligkeit. Es gibt fixe Sendezeiten, aber man kann praktisch den ganzen Tag über spontan das Radio einschalten und sich in einer Geschichte wiederfinden. Manchmal fällt einem ja der Kugelschreiber aus der Hand, so intensiv wird man gedanklich hineingezogen.

Natürlich bleibe ich auch Ö1 gegenüber kritisch, zum Beispiel erinnere ich mich an eine Sendung mit Ulrich Seidl, bei der ich mich geärgert hab, dass das Interview nicht kritischer geführt wurde. Anknüpfungspunkte gäbe es ja durchaus. Da hätte ich mir Ö1 akzentuierter gewünscht.

Trotzdem ist und bleibt Ö1 dank seiner Qualität, Dichte und seines Reichtums einzigartig. Und sogar erfolgreich, was noch erstaunlicher ist. Vielleicht ist das auch eine Verbindung zwischen Ö1 und der Viennale, nämlich die Menschen ernst zu nehmen, und nicht als Konsumenten zu degradieren. Dann entsteht sowas wie Vertrauen.

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Lukas Beck

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