Paul Austers neuer Roman zum 70. Geburtstag

4 3 2 1 - Happy Birthday

Rechtzeitig zum 70. Geburtstag von Paul Auster (am 3. Februar 2017) erscheint jetzt weltweit zur selben Zeit sein erster Roman seit sieben Jahren. "4321", so der Titel, scheint mit seinen mehr als 1.200 Seiten so etwas wie das Opus Magnum des US-Schriftstellers zu sein.

Paul Auster

APA/AFP

Vier Lebensläufe

Ein und derselbe Protagonist wird da von Auster durch vier verschiedene Leben geschickt. Alle vier haben aber etwas gemeinsam: Sie weisen große Übereinstimmungen mit ihrem Schöpfer auf. Wolfgang Popp hat den neuen Auster-Roman gelesen und mit mehreren Kritikern darüber diskutiert.

Archie Ferguson, so der Name des Protagonisten, ist auf den Tag genau einen Monat jünger als Auster. Mit sechzehn wird er deshalb Zeuge von Martin Luther Kings Marsch auf Washington, er beobachtet genau die Black Panther-Bewegung und geht selbst für die Rechte der Schwarzen auf die Straße. Die Entwicklung damals, so Auster, lief genau diametral zur Gegenwart, wo an einer Beschneidung der Rechte der Schwarzen gearbeitet wird: "Make America Great Again", so Auster, meine ja eigentlich, "Make America White Again".

Verzweiflung über Amerika

Austers Dauerthema ist die Identität und wie sie von Zufällen ins Wanken gebracht werden kann. Im Buch lässt er seine vier Archie Fergusons in reichen und prekären Verhältnissen aufwachsen, mit intakter Familie und als Halbwaise und einer seiner Archies kommt sogar in der Jugend durch einen tragischen Unfall ums Leben. Man hat auch Kämpfe mit der Identität der Figuren zu fechten, aber nie war er so verzweifelt, so Auster, wie über die derzeitige Identität seines Landes.

Ausufernde Sprache

Vom politischen Aspekt des neuen Auster-Romans "4321" jetzt aber zu der Frage, die den Auster-Fan beschäftigt: Schafft es der Meister des Zufalls und der kippenden Identitäten auch über 1.200 Seiten zu packen, wenn er parallel vier Lebensläufe entrollt. Wolfgang Paterno, Literaturkritiker der Wochenzeitung "profil" sieht eher vier Romane mit nur geringer Schnittmenge. Das für Auster so typische Rätselspiel habe er in seinem jüngsten Buch "viel zu wenig weit getrieben", so Paterno.

Austers Alter Egos finden alle zur Literatur, werden Romancier, Übersetzer oder Journalist. Und allein diese neuralgische Zeit des Zum-Schreiben-Findens interessiert Auster, denn er beobachtet seine Figuren nur bis sie Anfang zwanzig sind. Hier gräbt er aber fast obsessiv nach und entwickelt dafür sogar einen für ihn ganz neuen Schreibstil. Der Literaturkritiker der "Salzburger Nachrichten", Anton Thuswaldner, sieht die langen und ausufernden Sätze, die sich teilweise über eine Seite Länge erstrecken, als Suchbewegung, die sich immer wieder aufs Neue anschicken, den Figuren nahe zu kommen.

Die Sprache packt aber, reißt mit und macht "4321" zum Page-Turner. Was allerdings immer wieder bremst, ist die oft ausschweifende, fast protokollhafte Art, mit der er manche Themen ausbreitet. Auster lässt sich da exzessiv über seine Baseball-Leidenschaft aus, bringt ganze Leselisten seiner französischen Lieblingsautoren und kümmert sich streckenweise erstaunlich wenig um Spannung und überraschende Wendungen. Was sicher auch mit seinen zu glatten Protagonisten zu tun hat. Der Buchhändler Oliver Hartlieb sieht in Austers neuem Roman vier Sonntagskinder beschrieben.

Paul Auster hat auch in seinem neuen Großroman "4321" den Zufall zum Dirigenten seiner Geschichte gemacht, allerdings war der dunkle Mann am Pult bei Auster auch schon wilder und unheimlicher.

Text: Wolfgang Popp, Bearbeitung: Joseph Schimmer

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