
APA/AFP/RONALDO SCHEMIDT
Medizin und Gesundheit
Diesel - Warum Staat und Industrie unsere Gesundheit gefährden dürfen
Die Standards im Bereich von Umweltschutz und Prävention von Erkrankungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Mit wohl nur einer einzigen, wirklich bedeutsamen Ausnahme, die die gesamte Bevölkerung - Jung und Alt – betrifft: Dieselmotoren und die Betrügereien der Autoindustrie – etwas verharmlosend auch als Manipulationen bei Abgastests bezeichnet.
4. Juni 2017, 02:00
Unsere Gesundheit weniger wichtig als Profite?!
Seit vielen Jahren ist gesichert, dass vor allem Stickoxid-Emissionen aus Dieselabgasen zu einer Verschlechterung bestehender Lungenerkrankungen wie COPD oder Asthma führen, zu einem Anstieg an Herz-Kreislauferkrankungen, bei Kindern zu einer Verlangsamung des Lungenwachstums und nicht zuletzt Lungenkrebs auslösen. Hinzu kommt, dass moderne Dieselmotoren im Vergleich zu älteren – obwohl diese unbestritten deutlich mehr Schadstoffe produzieren – kleinere Feinstaub-Partikel ausstoßen, die tiefer in die Lunge eindringen und dort Schäden verursachen können. An der Oberfläche dieser Partikel können sich weitere gefährliche Substanzen anlagern, wie Kohlenwasserstoffe, Benzpyren, Schwermetalle etc. Dies ist selbstverständlich sowohl der Politik als auch den Autoherstellern bekannt. Die Technologien, die Motoren "gesundheitstechnisch" zu verbessern, stehen zur Verfügung. Ist halt alles ein bisschen teuer.
Für die Autoindustrie gelten eigene Rechte
Wie kann es sein, dass der Staat Diesel steuerlich begünstigt, der nachweislich Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung stärker schädigt als Benzin?
Wie kann es sein, dass große Teile der Autoindustrie mit falschen Angaben betreffs Stickoxide und anderen Emissionen arbeiten und damit zumindest in Europa ungeschoren davonkommen? Bei allen Tests wird deutlich, dass bei Tests unter Realbedingungen Diesel-PKW´s bis zum 6-fachen mehr Stickoxid ausstoßen, als angegeben. Damit werden in Österreich mindestens 1.000 Tonnen mehr Stickoxide in die Luft geblasen – auch kein Klacks.
Sendungsgäste
Dr. Helmut Hojesky, Abteilung für Klimaschutz und Luftreinhaltung, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Stubenring 1, A-1010 Wien, Tel.: +43/(0)1/71100/611736, E-Mail, Web
MMag. Bernhard Wiesinger, ÖAMTC Interessenvertretung, Baumgasse 129, A-1030 Wien, Tel.: +43/(0)1/71199/21322, E-Mail, Web
Assoc.-Prof. PD DI Dr. Hans-Peter Hutter, Department für Umwelthygiene und Umweltmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Spitalgasse 23, A-1090 Wien, Tel.: +43/(0)1/40160/34930, E-Mail, Web
Univ.-Prof. Dr. Bernhard Geringer, Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik, Technische Universität Wien, Getreidemarkt 9, A-1060 Wien, Tel.: +43/(0)1/58801-31500, E-Mail, Web
Moderation: Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz
Der Skandal …
Im Herbst 2015 flog der VW-Skandal in den USA auf. Der Konzern verwendete eine Software, die erkennt, ob ein Auto auf der Straße unterwegs ist oder am Prüfstand steht. Dieses Programm stellt bei Tests den Motor auf sauberen Lauf und täuscht so einen geringeren Schadstoffausstoß – nämlich unterhalb der gesetzlich erlaubten Grenze – vor. Im Betrieb auf der Straße wurden von denselben Autos die Grenzwerte jedoch um das Vierzigfache überschritten. Die US-Umweltbehörde kam diesen Manipulationen auf die Spur, weil sie zusätzlich zu den Standardüberprüfungen Tests im normalen Straßenverkehr durchführte. Mittlerweile ist klar, dass mehrere Autokonzerne ähnlich vorgegangen sind.
… brachte die Diskussion wieder ins Rollen
Der VW-Skandal heizte eine bereits seit Jahrzehnten geführte Diskussion wieder an – nämlich die um die Schadstoffemissionen von Dieselfahrzeugen. Dieselverbrennung produziert hauptsächlich gesundheitsschädliche Stickoxide und kohlenstoffhaltigen Feinstaub, der auch gesundheitsschädliche Stoffe wie etwa polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthält. Auch moderne Diesel-PKW, die der strengsten Abgasnorm der EU, Euro 6, unterliegen, überschreiten die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxide um ein Vielfaches. Abhilfe könnte hier die Einspritzung von Harnstoff schaffen, die den Stickoxidanteil deutlich reduziert. Zudem produzieren moderne Motoren immer kleinere Feinstaubpartikel, die noch tiefer in die Lunge eingeatmet werden können. Dies gilt im Übrigen auch für Ottomotoren.
Unzureichende Maßnahmen?
Die Antwort der Politik erfolgt, wenn überhaupt, nur sehr zögerlich. In Österreich ist Diesel nach wie vor steuerlich begünstigt. Ob und wann diese Begünstigung fallen soll, ist derzeit unklar. Das in mehreren europäischen Städten geplante Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge scheint in Österreich derzeit für die Politik kein Thema zu sein. Umweltzonen existieren lediglich für LKW.
Abgasgesetze sind grundsätzlich EU-Sache. Und in Brüssel scheinen Staaten mit autoproduzierender Industrie ein besonders gewichtiges Wort bei diesen Entscheidungen zu haben. Umweltschützer fordern bereits lange ein grundsätzliches verkehrspolitisches Umdenken – weg vom Individualverkehr. Eines ist unbestritten. Dass es auf lange Sicht eine Abkehr von den fossilen Brennstoffen geben muss. Doch bis zur breiten Anwendung von Elektroautos oder Brennstoffzellenfahrzeugen dürfte es noch ein weiter Weg zu sein.
Diskutieren Sie mit!
- Ist Ihnen das Problem der Dieselabgase bewusst?
- Können Sie sich vorstellen trotz höherer Treibstoffkosten, auf ein benzinbetriebenes Auto umzusteigen?
- Finden Sie, dass die Politik im Hinblick auf Gesundheit und Umweltschutz zu wenig Maßnahmen im Verkehrswesen setzt?
- Welche verkehrspolitischen bzw. umweltpolitischen Maßnahmen würden Sie vorschlagen?
Unsere Sendungsgäste beantworten bis 17:00 Ihre Fragen.