Christine Macel

AFP/PINTO

Utopien in Zeiten der Unordnung

Biennale Venedig: "Viva Arte Viva"

Mehr als 5.000 Journalisten - mehr denn jemals zuvor - sind heuer aus aller Welt gekommen, um über die Biennale in Venedig zu berichten. Der Titel der bedeutendsten Kunstschau der Welt lautet heuer "Viva Arte Viva" - frei übersetzt: Hoch lebe die Kunst! Denn die Kuratorin der Schau, die Französin Christine Macel, setzt in Zeiten globaler Unordnung auf die Kraft des Künstlerischen und Utopischen.

Morgenjournal, 13.5.2017

Goldener Löwe an Carolee Schneemann
Den Löwen für ihr Lebenswerk erhält die 78-jährige US-amerikanische Künstlerin Carolee Schneemann, die in den 1960er Jahren mit ihren feministischen Performances und Experimentalfilmen für Skandale in der Kunstwelt sorgte. Sie gilt als Wegbereiterin für andere Künstlerinnen von Marina Abramovic bis Lady Gaga.

Morgenjournal, 11.5.2017

Utopische Kräfte freisetzen

Kriege und Terror beuteln die Welt und hier wird die Kunst gefeiert? Ja, sagt Biennale-Präsident Paolo Baratta, er habe keinen Sinn darin gesehen, diese Ausgabe der Biennale dem Krieg in Syrien zu widmen, denn alle Dramen und Kriege beginnen irgendwann einmal in den Köpfen der Menschen. Daher sei es ihm wichtiger erschienen, die menschliche Selbsterkenntnis und damit die Ursprünge des menschlichen Handelns in den Focus zu rücken.

Die künstlerische Leiterin der Biennale, Christine Macel sagte gestern bei der Pressekonferenz: Kunst sei nicht da um die Welt zu retten. Die Kunst könne neue Visionen schaffen, aber ihre Probleme nicht heilen.


Persönliches Wachstum

Im Unterschied zur letzten Biennale, bei der Okwui Enwezor politische Agitation groß geschrieben hat und "Das Kapital" von Karl Marx verlesen wurde, setzt diese Biennale auf utopische Kräfte, die jeder in sich selbst entdecken kann.

Um sich zum persönlichen Wachstum inspirieren zu lassen kann man neun Themenpavillons durchlaufen. Es beginnt mit dem Pavillon der Bücher und Künstler, in dem man erfährt wie Künstler leben: Die Künstlerin Dawn Kasper etwa hat in der Ausstellung Quartier bezogen und man wird ihr sechs Monate lang beim Leben zusehen können.

Kulturjournal, 12.5.2017

Was man bei der Biennale gesehen haben sollte

Optische Stille im Biennale-Trubel

Man sieht auch ein Sofa des österreichischen Künstlers Franz West und ein Foto, das ihn beim Schlafen festgehalten hat, denn Schlafen und Träumen sei weit mehr als Nichtstun, wie Christine Macel erklärt. Die alten Römer hätten dem "Otium", der Muße, den ganzen Nachmittag gewidmet, um ihren Intellekt und die Kreativität zu beflügeln.

So malte der syrische Künstler Marwan Selbstporträts um mit sich selbst in Kontakt zu kommen, und im dänischen Pavillon bietet die Künstlerin Kirstine Roepstorff ein "Theater der leuchtenden Dunkelheit", in dem man in all dem Biennale-Trubel 30 Minuten optische Stille erleben kann und die Gelegenheit erhält, Einsicht in die eigene Gedankenwelt zu bekommen.

Anspruchsvoll, aber lohnenswert

Kirstine Roepstorff meint, die Dunkelheit werde zu Unrecht unterschätzt, denn das Wesen aller Dinge entstehe im Dunkeln: Babys kommen aus dem dunklen Bauch der Mutter, Samen reifen in der dunklen Erde, Gedanken kommen aus dem unbeleuchteten Unbewussten.

Soweit das nach den allerersten Eindrücken schon zu beurteilen ist: Diese Biennale hat ein interessantes Konzept. Es ist eine geistig anspruchsvolle Biennale, die man sich - so man das innere Wachstum fördern möchte - nicht entgehen lassen sollte.

Service

La Biennale - Der österreichische Pavillon
La Biennale - 13. Mai bis 26. November 2017
Carolee Schneemann
mumok - Woman. Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre, bis 3. September 2017
Museum der Moderne Salzburg - Carolee Schneemann

Gestaltung