STUDIO ERWIN WURM
Der österreichische Pavillon
Biennale Venedig: Licht und Raum von Kowanz und Wurm
Von Erwin Wurm und Brigitte Kowanz kommt der österreichische Beitrag zur 57. Kunstbiennale in Venedig. Die heimischen Medien sprachen immer wieder von einer "falschen Entscheidung", diese beiden sehr unterschiedlichen Künstler zusammen zu spannen. Wie sieht der Pavillon nun wirklich aus?
10. Juni 2017, 02:00
Mittagsjournal, 10.5.2017
Die kühl intellektuellen Lichtglasräume von Brigitte Kowanz stehen den Skulpturen von Erwin Wurm gegenüber, die auch für jene verständlich sind, die sich nicht für Gegenwartskunst interessieren. – Im Vorfeld der Biennale wurde kolportiert, dass Wurm als Kunststar den Hauptraum in dem Pavillon von Josef Hoffmann aus den 1930er Jahren beansprucht habe und Kowanz mit ihren Lichtskulpturen ins Freie gedrängt worden sei. Daraufhin habe Kowanz die Idee gehabt, als Notlösung einen White Cube an den alten Pavillon anzubauen.
"Schauen Sie auf das Mittelmeer"
Vor dem Pavillon von Josef Hoffmann aus den 1930er Jahren scheint ein LKW auf die Schnauze gefallen zu sein. Die rote Fahrerkabine ist in den Boden gerammt und der neun Meter hohe Laderaum ragt senkrecht in die Höhe. Über eine Leiter kann man im Inneren des LKW in die Höhe klettern, wo man dann wie von einer Aussichtsplattform rundum über die Giardini blicken kann. Dabei wird man ein Teil der Skulptur von Erwin Wurm - man wird zur "One Minute Sculpture".
Eine Hinweistafel fordert gar auf, "auf das Mittelmeer zu schauen". Das Mittelmeer zitiert Erwin Wurm hier in seiner politischen Dimension, einerseits als tödliche Barriere für Flüchtlinge, andererseits als Sehnsuchtsdestination für Millionen von Touristen.
Kulturjournal, 10.5.2017
Brigitte Kowanz und Erwin Wurm im Gespräch über Migration & digitale Welt, die Finanzierung ihres Biennale-Auftritts und über Konkurrenz.
Der Mensch vielfach gespiegelt
Im Inneren des Pavillons zieht dann ein alter Wohnwagen das Thema Migration weiter. Performer oder auch Besucher/innen sind aufgefordert, in bizarren Verrenkungen zu "One Minute Sculptures" zu erstarren. Ohne es zu bemerken, gelangt man vom Hoffmann-Pavillon in einen Zubau des Architekten Herrmann Eisenköck, in dem die Lichtskulpturen von Brigitte Kowanz ausgestellt sind. Es sind große geschwungene Lichtbänder, die zwischen Spiegeln ins Unendliche vervielfältigt, weite Virtuelle Räume suggerieren. Mitten drin steht - ebenfalls in vielfacher Spiegelung - der Betrachter.
TOBIAS PILZ
Kowanz & Wurm ergänzen sich
Auch wenn im Vorfeld zur Biennale immer wieder die künstlerische Unvereinbarkeit von Kowanz und Wurm thematisiert wurde - jetzt sieht man: ihre Arbeiten ergänzen sich hervorragend. Die kühl intellektuellen Lichtglasräume von Brigitte Kowanz und die direkt aus dem Leben gegriffenen Skulpturen von Erwin Wurm, die auch Menschen zugänglich sind, die noch nie etwas mit Kunst zu tun hatten. Zwei Künstler jedenfalls, die an einem innovativen Skulpturenbegriff feilen und immer wieder neue Räume schaffen. Vor der Biennale wollten die beiden keine gemeinsamen Interviews geben wollten - jetzt sind sie begeistert von ihrem gemeinsamen Werk.
Als Wermutstropfen empfinden beide das Budget von 400.000 Euro, das sie um das Doppelte überschritten haben. Beide haben ihre Produktionen selbst mit Hilfe von Sponsoren finanziert, weil das Budget schon mit dem Betrieb des Pavillons verbraucht war. Eröffnet wird der österreichische Pavillon am Freitag, den 12. Mai, von Kulturminister Drozda.
Eine Banane im Schritt, ein Eimer über dem Kopf, Textmarker in Mund und Ohren. Mit seinen "One Minute Sculptures" hat Erwin Wurm in den 1990er Jahren die internationale Kunstwelt erobert. Wurm schafft flüchtige Skulpturen, die nur für einen Augenblick existieren, erweitert - wie vor ihm bereits Franz West - den Skulpturenbegriff mit den Mitteln der Performance. Wie die Wiener Aktionisten macht Erwin Wurm den Körper zum Material seiner Kunst. Nur ist sein Zugang weit entfernt von der Schwere, die der aktionistischen Körperkunst anhaftet - Wurms Umgang mit dem Körper ist leichtfüßig und ironisch. Das Video drehte Ö1 anlässlich eines "Diagonal - zur Person Erwin Wurm" (Feb. 2017) von Christine Scheucher.
Service
La Biennale - Der österreichische Pavillon | La Biennale - 13. Mai bis 26. November 2017
21er Haus - Erwin Wurm "Performative Skulpturen 1990 - 2017" ab 2. Juni 2017