ORF/LUKAS KRUMMHOLZ
Löschrichtlinien
"Facebook dazu zwingen, Farbe zu bekennen"
Was darf auf Facebook gepostet werden und was muss gelöscht werden? Die britische Zeitung "The Guardian" hat interne Facebook-Richtlinien veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass etwa Kindesmisshandlungen, Mordaufrufe oder Selbstverletzungen auf der Plattform stehen bleiben dürfen.
22. Juni 2017, 02:00
Einige tausend Menschen beschäftigt Facebook als sogenannte Moderatoren. Ihre Aufgabe ist es, das größte soziale Netzwerk nach Inhalten zu durchsuchen, die gegen die Richtlinien verstoßen und gelöscht werden müssen. In den letzten Monaten stand die Plattform vermehrt unter Kritik, Hasskommentare würden nicht gelöscht, Gewaltvideos ebenso nicht.
Die Tageszeitung "The Guardian" hat nun Unterlagen veröffentlicht, in denen Facebook-Mitarbeitern erklärt wird, welche Inhalte aus dem Netz zu entfernen sind und was veröffentlich werden darf. Es geht um Themen wie Mord, Folter, Gewalt an Kindern, um Tierquälerei, um Fotos solcher Taten oder das Ankündigen davon.
Gelöscht wird etwa, wenn jemand dazu auffordert, den amerikanischen Präsidenten zu erschießen. Eine Anleitung, wie man jemandem das Genick bricht, darf dagegen stehen bleiben. Auch die allgemeine Aufforderung, dicke Kinder zu verprügeln, darf veröffentlicht werden.
Veröffentlichte Gewalt soll Bewusstsein schaffen
Fotos oder Videos von Tod und Gewalt werden nicht immer gelöscht, sie müssen stattdessen als verstörend gekennzeichnet werden und sind dann etwa für Kinder nicht abrufbar. Sie sollen aber im Netz bleiben.
Begründet wird das damit, dass solche Gewaltinhalte Bewusstsein schaffen und abschreckend wirken können. In manchen Fällen würden auch Bilder von Kindesmisshandlungen nicht gelöscht, um dem Kind zu helfen, wie es heißt.
Diese Argumentation kann der Jurist Alexander Nessler nicht nachvollziehen. "Ich weiß nicht, wie die das verantworten können oder wollen", sagt er im Ö1 Mittagsjournal.
"Facebook muss Richtlinien ändern"
Laut Nessler nimmt Facebook damit Persönlichkeitsverletzungen in Kauf. "Facebook stellt sich als internationaler Konzern auf den Standpunkt, dass es nach seinen eigenen, internen – bis dato auch nicht vollkommen veröffentlichten – Richtlinien entscheiden kann, was unter welchen Voraussetzungen gelöscht wird, was in Persönlichkeitsrechte von Betroffenen eingreift und was nicht geahndet wird." Österreich habe ein gutes Persönlichkeitsschutzsystem. Dass sich Facebook daran nicht halte, ist für den Medienrechtler Nessler nicht tolerierbar.
Zuständigkeit österreichischer Gerichte bestätigt
Facebook müsse seine Richtlinien ändern, damit den nationalen Rechtsordnungen Rechnung getragen wird, sagt Nessler. In dem Musterverfahren der Grünen wegen Hasspostings gegen Eva Glawischnig, das von der Rechtsanwaltskanzlei Maria Windhager geführt wird, für die Alexander Nessler arbeitet, wurde die Zuständigkeit österreichischer Gerichte erstmals bestätigt. Nun wolle man - im Idealfall im Einvernehmen mit Facebook - eine gemeinsame Umsetzung finden. "Andernfalls müssen exekutionsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden. Also muss man Facebook dazu zwingen, hier Farbe zu bekennen", so der Jurist Nessler.
Die Verantwortung für die auf der Seite verbreiteten Inhalte sieht Nessler klar bei Facebook. "Das Geschäftsmodell von Facebook basiert darauf, User-Inhalte bis ins kleinste Detail zu analysieren und das an Werbekunden zu vermitteln, damit personalisierte Werbung geschaltet werden kann." Dann zu sagen, eine genaue Kontrolle der geteilten Inhalte wäre technisch oder personell nicht möglich, sei nicht legitim, so Nessler.
Service
The Guardian - Revealed: Facebook's internal rulebook on sex, terrorism and violence
oe1.ORF.at - Umstrittene Lösch-Richtlinien auf Facebook
oe1.ORF.at - Facebook verletzt Persönlichkeitsrechte