Erbsen aus der Dose

ORF, JOSEPH SCHIMMER

Essgewohnheiten und ihr Ablaufdatum

1967 findet in Wien eine - zumindest aus heutiger Sicht - kurios anmutende Großveranstaltung statt: Beim fünften Weltkongress der Konservenindustrie treffen 500 "Dosen-Lobbyisten" zusammen, um die Vorzüge von Eingelegtem und Eingekochtem zu diskutieren. Denn der Absatz von Konservendosen ist in Österreich relativ niedrig. In Ländern wie Schweden, Deutschland, England oder den USA wird zu diesem Zeitpunkt das Fünf- bis Zehnfache verbraucht.

Die Gründe dafür sind gegensätzlich: Einerseits erinnern Produkte wie Corned Beef oder Bohneneintopf viele an den Krieg und damit an Zeiten der Entbehrung. Andererseits können Konservendosen empfindlich teuer sein. Sind sie doch auch mit Exotischem wie Heringen, Palmenherzen oder Ananas gefüllt.

Die eingelegte Hawaii-Ananas war ein Zeichen für Luxus. Frisch kam sie so gut wie gar nicht auf den Tisch. Als Dosenfrucht inspirierte sie ein populäres Gericht dieser Zeit, den "toast Hawaii". Seine Erfindung wird dem deutschen Fernsehkoch Clemens Wilmenrod zugeschrieben. Eine Speise, die einfache Cuisine mit der Sehnsucht nach der großen weiten Welt verbindet.

Ein Toast Hawaii

ORF/JOSEPH SCHIMMER

1967 wird in den meisten Haushalten täglich frisch eingekauft. Kühlschränke sind teuer und für Familien mit einem kleineren Einkommen eine nur schwer zu stemmende Investition. Ende der 1960er Jahre haben nur 60 Prozent der Haushalte einen Eiskasten. Damals gibt es in Österreich bereits einige Supermärkte - der erste wurde 1950 in Linz eröffnet - doch die Nahversorger, vor allem in den Städten, sind die Greissler.

Mittagessen- Hauptmahlzeit und Familientreffpunkt

Hauptmahlzeit ist das Mittagessen, zu der sich auch wochentags die gesamte Familie versammelt. Fast alle Geschäfte, Büros und Amtsstuben schließen für diese Mittagspause. Fleisch kommt, anders als heute, nicht täglich, sondern ein-, zweimal die Woche auf den Tisch. Es ist schlicht zu teuer. Doch der Fleischkonsum steigt zusehends und spätestens in den 1970er Jahren sind Wurst, Schinken und Braten zum Alltagsessen geworden.

Doch das Fleisch, genauer das Schweinefleisch, gerät wegen seines hohen Fettgehalts bald in Verruf. Gleiches gilt für die Butter. Damals verbreitet sich von den USA kommend die Theorie, dass Cholesterinhaltige Nahrung die Hauptursache für Herzinfarkte sei. Wer also abnehmen möchte oder die Empfehlung vom Arzt bekommt, Gewicht zu verlieren, soll das durch eine Fettreduktion erreichen.

Butter wird in einem Topf geschmolzen

AFP,Johannes Eisele

Ausgangspunkt der weltweiten Cholesterinpanik ist eine Studie des amerikanischen Physiologen und Ozeanographen Ancel Keys. 1958 publizierte er seine sieben-Länder Studie, die Cholesterin auf lange Zeit zum Herzkiller Nummer eins machen sollte. Dass seine Studie eine Fälschung war, wurde erst Jahrzehnte später klar. In der Zwischenzeit fuhr die Margarineindustrie in den USA enorme Gewinne ein.

Erste Ernährungstrends und Lebensmittelkonzerne

In den 1980er Jahren kommt es endgültig zu einer Globalisierung der Nahrungsindustrie. Statt regionaler Kost, kommen immer mehr Lebensmittel in den Handel, die lange haltbar sind und weit weg produziert wurden. Während die einen hungern, formieren sich anderswo auf der Welt riesige Lebensmittelkonzerne.

Diese Riesenkonzerne vertreiben alles, vom Saatgut, über frische Produkte bis zu verarbeiteten Speisen. Produkte, die mitunter erst nach Jahren ablaufen. Auch Länder wie Österreich, die mit ihrer Lebensmittelproduktion unabhängig bleiben wollten, werden vom Weltmarkt überrollt.

Die Weltmarktstrukturküche

Der Sozialwissenschaftler Rolf Schwendter bezeichnete dieses Phänomen als "Weltmarktstrukturküche". Die Speisepläne in den westlichen Industrienationen füllen sich mit Gerichten und Lebensmitteln aus allen möglichen Ländern und sind doch überall ident. Und das ist bis heute so geblieben. Obwohl immer mehr Menschen lokale Bioprodukte einkaufen, boomt die internationale Lebensmittelindustrie.

Tiefgekühlte Hühnerteile

AFP, ANTHONY WALLACE

Convenience und Functional Food

Es gibt Convenience Food - Speisen, die möglichst schnell und einfach bereit für den Verzehr sind. Functional Food, das einen nicht nur satt macht, sondern darüber hinaus einen vermeintlich gesundheitlichen Nutzen hat. Und Nutriceuticals, die in Analogie zu den Pharmaceuticals, nicht nur gesund sind, sondern sogar therapeutisch wirken. Gleichzeitig steigt die Zahl der Menschen, die unter einer Allergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeit leiden.

Ernährungsmediziner/innen führen das immer wieder auf die unzähligen chemischen Inhaltsstoffe industriell gefertigter Nahrung zurück. Die Lebensmittel selbst vermitteln dem Menschen nicht mehr die notwendigen Informationen, um zu beurteilen, ob sie noch frisch sind oder nicht bzw. ob man die darin enthaltenen Nährstoffe gerade braucht oder bereits genug hat. Der Geruchssinn und der Geschmacksinn versagen, ob der vielen Aromen, Konservierungsstoffe und Verdickungsmittel.