LEONHARD HILZENSAUER/PAUL ZSOLNAY VERLAG
Tonspuren
Fiston Mwanza Mujila, der schreiende Schriftsteller
"Wenn ich schreibe, schreibe ich nicht allein." Porträt des kongolesischen Autors Fiston Mwanza Mujila. Feature von Claudia Gschweitl.
29. März 2018, 02:00
7 Tage Ö1 - Tonspuren
Kulturjournal | 23 03 2018 - Rosegger-Literaturpreis
Für sein Debüt „Tram 83“ wird der junge kongolesische Autor Fiston Mwanza Mujila international gefeiert. „Ein Buch, das einem den Boden unter den Füßen wegzieht“, schreibt etwa der „Rolling Stone“. Von einem „sprachlich-musikalischen Meisterwerk“ ist die Rede, von einem „Stück Literatur direkt aus der Hölle“. Der Roman war u.a. für den renommierten Man Booker International Preis nominiert, vergangene Woche er mit dem Peter-Rosegger-Literaturpreis 2018 ausgezeichnet.
In der Jurybegründung heißt es "Der Autor zählt schon jetzt zu den wichtigsten Repräsentanten einer Dichtergeneration, die nicht anklagt, nicht urteilt, aber drastisch vor Augen führt, wie unüberbrückbar die Kluft werden kann - jene zwischen Hoffenden und Hoffnunglosen, jene zwischen sogenannter Alter und Neuer Welt. Das Lokal "Tram 83" befindet sich an einer Endstation, der virtuose Erzähler hingegen ist auf dem Weg in die Welt der exzellenten Gegenwartsliteratur."
Performative Jazz-Lesungen
Das "Tram 83“, benannt nach einer Straßenbahn, die nur nachts fährt, ist ein pulsierender Nachtklub in einer heruntergekommenen afrikanischen Großstadt. Hier treffen Minenarbeiter, Prostituierte, Ex-Kindersoldaten, Geschäftsmänner und Studenten aufeinander, um sich zu betrinken und sich zu vergessen. "Tram 83“ fängt den Krawall, den Rhythmus, die Hitze, ja selbst den Geruch eines urbanen Molochs ein. Ein Text, der einem um die Ohren fliegt, vor allem dann, wenn ihn der Autor selbst vorträgt. Als Schriftsteller hat man es im Kongo nicht gerade leicht, stets muss man gegen den Lärm ankämpfen. Man hat weder Ruhe zum Schreiben, noch ein andächtig lauschendes Publikum.
ORF/CLAUDIA GSCHWEITL
Fiston Mwanza Mujila
Aus Mangel an Literaturhäusern hat Fiston Mwanza Mujila seine Texte in seiner Heimatstadt Lubumbashi oft an öffentlichen Orten zum Besten gegeben: Auf der Straße, in Bars oder am Bahnhof. Er hat einen beeindruckenden Weg gefunden, um aus der Geräuschkulisse herauszustechen. Fiston Mwanza trägt seine Texte schreiend, singend und lachend vor.
Vom Kongo nach Graz
Das Buch "Tram 83“ hat er allerdings nicht im Kongo geschrieben, sondern in Graz, wo er seit neun Jahren lebt. 2009 war er dort Stadtschreiber. Er unterrichtet afrikanische Literatur an der Universität, schreibt sowohl Lyrik, Prosa als auch Theaterstücke in französischer Sprache.
Eigentlich wäre Mwanza Mujila gerne Saxofonist geworden, doch in seiner Heimatstadt gab es keine Musikschule und niemanden, der ihm das Spielen beibringen konnte. Also machte er kurzerhand die Sprache zu seinem Instrument. Seine Texte komponiert er wie ein Jazzmusiker; seine Auftritte bestreitet er oft mit dem Saxofonisten Patrick Dunst.
Service
Fiston Mwanza Mujila, "Tram 83", Zsolnay Verlag
Fiston Mwanza Mujila, "Le Fleuve dans le Ventre / Der Fluss im Bauch", Edition Thanhäuser
Patrick Dunst