Wolfgang Kos

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Sommerserie

Neues von Gestern - Zur Idee der Radioreihe "Das Popmuseum"

Seit 2016 präsentiert das "Popmuseum" seine Hör-Ausstellungen in Ö1, im Sommer 2017 jeweils am Sonntag um 13:10 Uhr.

Seit ihren Anfängen in den 1970er Jahren, als es angesichts der sich rasend schnell entwickelnden aktuellen Rockmusik geradezu exzentrisch wirkte, in den Rückspiegel zu schauen und nach deren Geschichte zu fragen, durchlief die langjährige Ö3-Kultsendung viele Wandlungen: Zu Beginn trat Wolfgang Hübsch in der Rolle eines mürrischen Museumsdirektors auf, in der zweiten Phase ab 1987 präsentierte Museumsdirektor und Kurator persönlich die Exponate.

Klassiker und Raritäten

Ein Prinzip gilt von Anfang an: keine nostalgische Oldies-Revue, sondern Klassiker und Raritäten. Die Musikstücke sollten und sollen nicht nur mit pophistorischen Informationen präsentiert werden, sondern auch als Dokumente gesellschaftlicher Entwicklungen und im breiten Blick auf den kulturgeschichtlichen Kontext.

Im Spielplan des "Ö1 Popmuseums" finden sich einerseits Monografien zu Stars und Antistars - z.B. zum wenig bekannten amerikanischen Singer-Songwriter Townes van Zandt ("Die Schönheit der Traurigkeit") am 9. Juli oder zu Wilco, der letzten großen Band des 20. Jahrhunderts, am 30. Juli. Dazu kommen Themensendungen zu Nahe- und Fernliegendem. So beginnt die Sommersaison 2017 am 2. Juli mit frühen Öko-Songs.

Auftakt mit Ökö-Songs

Um 1970, als Begriffe wie Ökologie oder Umwelt noch kaum geläufig waren, wurde in der kalifornischen Hippiebewegung eine Sensibilität für die Bedrohung der Natur spürbar. John Mayall sang "Nature's Disappearing", Joni Mitchell wurde mit einem Lied über die Zubetonierung von Grünland ("Big Yellow Taxi") berühmt, Neil Young klagte, dass "mother nature" auf der Flucht sei und so manche Band besang das freie Leben in der Landkommune.

Um die Faszination für die Großstadt von Petula Clark bis Bruce Springsteen geht es wiederum am 30. Juli in einer Ausstellung mit dem Titel "Downtown".

Das Musikspektrum wächst

Bereits zu Ö3-Zeiten entwickelte sich "das Popmuseum" zunehmend zu einem Radiofeuilleton, in dem der Wortanteil ebenso tragend ist wie die ausgewählte Musik. Im Umfeld des Kultursenders verstärkte sich diese Tendenz. Das Musikspektrum hat sich sukzessive verbreitet und reicht weit über jene Sounds und Regionen hinaus, die in den Hitparaden tonangebend waren. Folk, Blues oder Hip-Hop gehören ebenso wie Musik aus Afrika oder Südamerika in das weite Feld der populären Musik.

Den Anfängen der Bossa Nova gilt die Sonderausstellung am 16. Juli. Dessen leichte, schwebende Stücke sollten nicht darüber hinwegtäuschen, welche ästhetische Brisanz die "neue Welle" 1959 hatte, als die ersten Platten mit Kompositionen von Tom Jobin und der Stimme von Joao Gilberto herauskamen. Für die Großstadt-Boheme von Rio de Janeiro war die Bossa Nova - der Name war der "nouvelle vague" im französischen Avantgarde-Film entlehnt - ein Schritt in die Moderne. Kritiker warfen der minimalistischen Post-Samba-Musik vor, langweilig und "falsch" zu klingen. Prompt schrieb Jobim ein Lied mit dem Titel "Desafinado" ("Verstimmt") und ein anderes mit nur einer Note ("One-Note Samba").

Pop im Museum muss heute längst nicht mehr begründet werden, dafür ist längst eine Debatte darüber im Laufen, ob nicht die dauernde Wiederkehr einstiger Musikmoden und das permanente Restl-Aufkochen und Remixen von Stilen die Zukunft der Popmusik unterminiert. Ich schlage vor, diese Frage noch einige Jahre lang offen zu halten. Die Utopie, dass Rockmusik nie altern darf, befindet sich jedenfalls längst im Museumsdepot.