GOETHE INSTITUT
"Zeit-Ton"-Serie
Einmal um die Welt mit den Gebrüdern Teichmann
Ein sich über drei "Zeit-Ton"-Sendungen spannender Streifzug durch die elektronische Club Kultur, - von Nairobi bis nach Karachi, von den Malediven bis nach Kathmandu, mit Andi und Hannes Teichmann und Susanna Niedermayr.
30. Juli 2017, 02:00
Einmal um die Welt mit den Gebrüdern Teichmann - Teil 1
Zeit-Ton (29 06 2017)
Mit viel Begeisterung und auch Begeisterungsfähigkeit verstehen es die Gebrüder Teichmann temporäre Räume zu schaffen, in denen sich Musikerinnen und Musiker unterschiedlicher Kulturen begegnen können, um gemeinsam Neues zu schaffen. Musikalisch geprägt wurden Hannes und Andi Teichmann nicht zuletzt von der aufkeimenden elektronischen Club-Kultur im Berlin der 1990er Jahre.
Die Techno-Clubs und Raves als Orte, an denen tradierte Gesellschaftsnormen keine Rolle mehr spielen sollten; an denen sich jeder ausprobieren konnte; an denen alles möglich war - auf ihren Tanzflächen trafen sich Berlinerinnen und Berliner aus West und Ost erstmals auf Augenhöhe. An diese gelebte Utopie knüpfen die beiden Brüder an, wenn sie etwa in Kenia, Sri Lanka, Mexiko oder Pakistan ausgewählte Musikschaffende zu ihren temporären Soundcamps laden.
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"Wenn es zwischen Ost und West geht, haben wir uns gedacht, dann geht es doch auch auf einer globalen Ebene", so Andi Teichmann. "Das ist das Tolle an der elektronischen Club Kultur. Wir können A zusammen Musik machen und B auch das Publikum mit reinholen, um sie Teil des Geschehens werden zu lassen. Das ist einfach ein total starkes Moment. Diese Kultur ist sehr geeignet dafür, Leute zusammenzubringen."
Noland - im kulturellen Nirvana
Vergangenes Jahr haben die Brüder die Plattform Noland gegründet. Landes- und Stilgrenzen hätten sie schon immer als zu beengend empfunden, schildert Hannes Teichmann. "Vielleicht ist Noland auch so ein Art kulturelles Nirvana", ergänzt Andi Teichmann, "wo alles in Partikeln drin ist, aber nicht mehr zuordenbar, also so stell ich mir das eigentlich vor".
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Nairobi
The Madhouse in Nairobi
Nach mehreren Reisen durch die Balkan-Länder und nach Sibirien ging es 2009 auf Einladung des Goethe Instituts nach Kenia. Gemeinsam mit Sasha Perera und Oren Gerlitz von Jahcoozi starteten Andi und Hannes Teichmann das Projekt BLNRB. In Nairobi wurde für drei Wochen ein Haus angemietet, das gleichzeitig kollektiver Wohnraum und Studio war. Als "The Madhouse" sollte es in die Geschichte eingehen.
Neben Jahcoozi wurden weiters Modeselektor aus Berlin eingeflogen. Aus Kenia nahmen unter anderem die Gruppen Ukoo Flani, Abbas Kubaff und Necessary Noize an dem Projekt teil. Mit ihrer deutschen Gründlichkeit, erinnert sich Hannes Teichmann zurück, seien sie bei ihren kenianischen Kollegen bald an ihre Grenzen gestoßen. Oft hätten sie sich eine etwas konzentriertere Arbeitsatmosphäre gewünscht.
"Erst zurück in Berlin haben wir gemerkt: Wahnsinn, das hat so mega-viel Seele! Eben genau deshalb, weil sich alle unsere kenianischen Mitmusiker einfach nur treiben haben lassen, so wie sie sich auch sonst durch den Alltag treiben lassen." Das ganz gezielte sich Treiben lassen, das vollständige Aufgehen im Hier und Jetzt, sollte in weiterer Folge zu einer zentralen Methode der Gebrüder Teichmann werden.
Von Sri Lanka bis nach Karachi
2010 wurden die Gebrüder Teichmann vom Goethe Institut zu einem Erkundungstrip durch Südasien eingeladen, im Anschluss an diese Reise fand schließlich auch ihr erstes Soundcamp in Sri Lanka statt. Neben eben Sri Lanka standen weiters die Länder Indien, Bangladesch und Afghanistan auf der Wunschliste des Subventionsgebers, nicht aber Pakistan. Das hätten sie aber nicht hinnehmen wollen, meint Andi Teichmann. Und so recherchierten die Brüder im Internet und wurden dort auf die Szene in Karachi aufmerksam, die sie mit ihrem ganz eigen klingenden Sound sofort begeisterte.
Gerade erst vom Soundcamp in Sri Lanka zurückgekommen begann auch schon die Arbeit an dem nächsten großen Vernetzungsprojekt. "Ten Cities" verknüpfte die Sub-Kulturen von zehn afrikanischen und zehn europäischen Städten. In einem Zeitraum von rund sechs Monaten reisten 50 Musikschaffende emsig hin und her, um in diversen Musikstudios gemeinsame Tracks, Songs und Stücke aufzunehmen. Parallel dazu reifte der Gedanke auch in Karachi ein Soundcamp zu veranstalten. 2015 wurde das Vorhaben in die Tat umgesetzt. Als Produktions-Partner vor Ort konnten die Gebrüder Teichmann das Foreversouth Collective gewinnen. Wiederum wurde - diesmal für zwei Wochen - ein Haus als kollektiver Wohnraum und Studio angemietet.
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Karachi Files
Als erste Platte auf Noland veröffentlichten Andi und Hannes Teichmann die "Karachi Files", die besten Momente aus den Karachi Soundcamp Sessions. "Was uns immer wichtig ist bzw. antreibt: Wir wollen gemeinsam Musik machen", führt Andi Teichmann näher aus. "Ich mag zum Beispiel dieses Wort Producer überhaupt nicht, das in der elektronischen Musik oft gebraucht wird. Wir wollen einfach ein Mischpult haben, an dieses verschiedene Mikrophone und Instrumente anschließen und dann im Prinzip drauf los jammen. Wenn sich das zusammenharkt musikalisch, dann passieren wahnsinnige Momente. Die wollen wir einfangen und damit etwas machen. Das ist auch die Basis von dieser Platte."
PABLO LAUF
Karachi Files
Vom Karachi Soundcamp zum Sine Valley Festival in Kathmandu
"Ihre Energie ist einfach ansteckend", so Daniel Arthur Panjwaneey aka Alien Panda Jury auf die Frage wie er das Karachi Soundcamp und dessen beiden Leiter Andi und Hannes Teichmann erlebt hätte. Panjwaneey war einer der pakistanischen Teilnehmer und bis vor Kurzem Mitglied des Foreversouth Collective.
"Ob Melodie oder Rhythmus, sie interessieren sich für jedes kleinste Detail! Sie wollen die Musik anderer Kulturen wirklich verstehen und weben Elemente dieser Musiken auf ganz wunderbare Art und Weise in ihre eigenen Stücke ein. Ich habe an vielen großen Produktionen mitgearbeitet hier in Karachi, damit habe ich mein Geld verdient. Wenn man mit guten Musikern zusammenarbeitet, die bekannt sind, dann wird es schnell egoistisch. Jeder denkt nur an sich selber. Und die Teichmann Brüder sind so überhaupt nicht egoistisch. Sie bleiben immer am Boden, gehen immer auf dich ein, begegnen allem mit Demut, und sie machen das nun schon so lange! Das zu erfahren, lässt einen selber demütig werden. Und auch technisch habe ich so viel von ihnen gelernt! Vieles von dem, was ich nun mache, haben sie mir beigebracht. Dass ich mit ihnen zusammenarbeiten durfte, das war ein Segen."
Mohamed Manal aka Menimal aka Autonomotor ist von den Malediven zum Karachi Soundcamp geflogen, auf Einladung des Foreversouth Collective. Auch er streicht hervor, wie viel er von den Gebrüdern Teichmann gelernt hätte. "Das ganze Haus hat vibriert", schwärmt Manal. "Alles drehte sich um Musik. Ständig kam irgendwer und fragte: Möchtest du hier vielleicht die Basslinie dazu spielen, oder die Percussions? Dort brauche ich noch eine Hi-Hat! Jeder war in die Projekte aller anderen involviert. An so einem Ort bin ich davor noch nie gewesen! Diese Idee ein Soundcamp zu veranstalten finde ich sehr aufregend! Ich möchte so etwas auch auf den Malediven machen! Es muss ja nicht groß sein. Einfach nur ein paar Instrumente schnappen und irgendwohin gehen, um dort Musik gemeinsam mit anderen zu machen, anstatt immer nur alleine zu Hause. Dieser Gemeinschaftsaspekt ist großartig!"
Genau das haben Daniel Arthur Panjwaneey und Mohamed Manal, die sich beim Karachi Soundcamp kennengelernt und angefreundet haben, vergangenes Jahr mit einigen Musikerinnen und Musikern in Kathmandu gemacht. Daraus ist schließlich das Sine Valley Festival entstanden. Im Herbst soll dessen zweite Ausgabe stattfinden. "Das Karachi Soundcamp hat uns also dazu inspiriert, etwas sehr Ähnliches in Nepal zu starten", so Panjwaneey, "in einem Land, dessen Musik noch weitgehend unerforscht ist."
Noland Mix #2
Nachdem wir am Donnerstag und Freitag in "Zeit-Ton" gemeinsam mit den Gebründern Teichmann und auch Daniel Arthur Panjwaneey und Mohamed Manal die vielfältigen Aktivitäten und besonders das Karachi Soundcamp Revue passieren haben lassen, steht im "Zeit-Ton extended" am Sonntag ein kunstvoller DJ-Mix von Mohamed Manal auf dem Programm. "Mein Mix ist auch eine Reaktion auf den intellektuellen Krieg um Meinungs- und Glaubensfreiheit, der soeben stattfindet", so der DJ und Musiker. "Ich habe ihn speziell für Noland gemacht. Verschiedene Kulturen fließen ineinander oder reiben sich manchmal auch aneinander und dabei tun sich all diese interessanten Orte auf, insbesondere in der Musik."
Service
Gebrüder Teichmann
Noland
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GI - BLNRB-Blog
GI - Ten Cities Blog
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Spector Books
Border Movement
Adaptr
Soundcloud - Foreversouth Collective
The Second Floor - Karachi
Anaasir
Sine Valley Festival auf Facebook
Soundcloud - Noland Mix von Manal aka Autonomotor
Soundclud - Valu Records
Syrphe