Mann mit Lupe

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Microtargeting: Datenkrake auf Stimmenfang

Werden wir, ohne es zu wissen, ausspioniert und manipuliert? Nach der Brexit-Entscheidung und dem Wahlsieg von Donald Trump gab es Berichte, dass Unternehmen im Auftrag der Politik psychologische Profile von uns erstellen, damit wir persönlich angepasste politische Botschaften bekommen, zum Beispiel auf Facebook. Man spricht von Microtargeting. Kritiker warnen: Wenn jeder eine andere Botschaft bekommt, dann ist die Demokratie in Gefahr.

Parteien haben in Österreich begrenzte Möglichkeiten, Daten legal zu sammeln. Da wären zum einen E-Mail-Adressen. Auch Clicks und Likes auf Facebook verraten einiges, sagt Wolfgang Zeglovits, der für die Umsetzung der digitalen Strategie der SPÖ um Wahlkampf zuständig ist. "Prinzipiell können wir auf Basis der Reaktionen, die wir bekommen, herauslesen, wer für uns ist und wer gegen uns ist", erzählt Zeglovits. Daraus erkennen Parteien, welche Personen in ihrem Umfeld für welche Themen im Wahlkampf zu begeistern sind.

Um bestimmte Wählergruppen zu erreichen, kaufen Parteien auch Werbung auf Facebook. Das läuft über Agenturen, die die Zielgruppen kennen. "Zum Beispiel haben wir jetzt ein Video, das die Pflege thematisiert und da ist die Zielgruppe eher eine ältere", so Zeglovits.

Screenshot, Website

meinplan.at

Parteien verknüpfen Daten

Genauer wird die Information, wenn sich Wähler und Wählerinnen zum Beispiel auf der Online-Plattform des Plan A von Bundeskanzler Christian Kern registrieren, um diesen aktiv zu unterstützen. Dort geben sie ihre Mail-Adresse an, sagen, für welche Themen sie sich interessieren, und können sich mit Facebook und Twitter einloggen. Ähnlich funktioniert das zum Beispiel auf der Liste Sebastian Kurz. Eine Software verknüpft diese Informationen - eine Praxis aus den USA.

Daten dürfen nicht zweckentfremdet werden

Darüber hinaus haben Parteien auch noch das Wissen aus den Wählerverzeichnissen. Daraus erkennen sie, in welchen Regionen sich das Wahlverhalten ändert. Aus all dem ergeben sich aber noch keine Superprofile. Denn unterschiedliche Datensätze dürfen in Österreich anders als in den USA nicht ohne weiteres verknüpft werden, sagt Rechtsinformatiker und E-Governance-Experte Peter Parycek von der Donau Universität Krems. "Ab dem Zeitpunkt, wo wir Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen, wird es mit dem aktuellen Rechtsrahmen bereits kritisch, weil die Daten immer nur für einen bestimmten Zweck zur Verfügung gestellt werden", so Parycek. Gutes Zielgruppen-Marketing in den sozialen Netzwerken ist aber besonders im Vorwahlkampf eine lohnende Sache, sagt Parycek: "Ich bekomme in Echtzeit eine Antwort auf politische Fragestellungen."

Besonders bei knappen Wahlgängen

Auch am Ende eines Wahlkampfs kann es sich lohnen, genau zu wissen, welche Botschaft bei wem ankommt. Vor allem wenn das Ergebnis knapp wird, sagt Christoph Hofinger vom Meinungsforschungsinstitut SORA. "Natürlich sind bei knappen Wahlgängen das Internet und das Targeting entscheidend." Ein Beispiel dafür ist das Video über die Holocaust-Überlebende Gertrude der Wahlkampagne von Bundespräsident Alexander van der Bellen, das auch in den traditionellen Medien im In- und Ausland für Aufsehen gesorgt hat.

Dass Parteien ihre Botschaften an Wählergruppen anpassen, ist nicht neu. Jeder Bürgermeister weiß, dass er mit Pensionisten anders reden muss als mit Alleinerzieherinnen. Neu ist aber der Fokus dieser Arbeit auf die sozialen Medien.

Wo Manipulation beginnt

Manipulation beginne dort, wo es ausgenützt wird, um bewusst Falschinformationen zu streuen, sagt Social-Media-Experte Yussi Pick, der im US-Wahlkampf für die Clinton-Kampagne gearbeitet hat. "Nicht um WählerInnen zu gewinnen, sondern um WählerInnen von anderen Parteien abzuschrecken", so Pick.

Die Trump-Kampagne habe etwa Falschinformationen in der traditionell demokratischen Latino-Gemeinschaft verbreitet, damit diese nicht wählen geht. Vor Zuständen wie in den USA brauche man sich in Österreich aber nicht fürchten. Erstens seien die Datensätze in den USA viel genauer, weil unterschiedliche Daten verknüpft werden dürfen – etwa von Kreditkarten, Kundenkarten oder Zeitungsabos. Diese werden im Paket an Parteien verkauft. Zweitens mache das Wahlsystem in den USA kleinteilige Botschaften an Zielgruppen notwendiger, sagt Hofinger von SORA. Denn Microtargeting lohnt sich, wo das Ergebnis knapp wird.

Microtargeting in Österreich nicht entscheidend

In Österreich sei zu viel Microtargeting gar nicht sinnvoll. Hier müsse man die Botschaften möglichst breit streuen, um zu gewinnen. Daher gibt der Datenexperte Peter Parycek Entwarnung: "Ich würde das aktuell für Österreich und Deutschland als überbewertet betrachten." Die große Datenkrake, die die Demokratie manipuliert, gibt es in Österreich also nicht, aber politische Botschaften werden auch bei uns immer persönlicher und treffsicherer.

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