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Schöne neue Parteimedien-Welt
Nichts ist im Wahlkampf wichtiger für die Parteien als schnelle Kanäle, über die sie ihre Botschaften möglichst ungefiltert zu den Wählern transportieren können. Früher gab es deklarierte Parteizeitungen wie "Arbeiterzeitung" und "Volksstimme", heute ist Facebook an deren Stelle getreten. Und oft wird der Ursprung der Botschaften verschleiert und vernebelt.
7. August 2017, 02:00
Facebook als Dreh- und Angelpunkt
Facebook bietet eine Fülle von Möglichkeiten, speziell wenn ein Politiker eine große Reichweite hat. Etwa FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache mit 620.000 Likes und jetzt auch die ÖVP unter Sebastian Kurz. Beide Parteien haben die Facebook-Seiten ihrer Parteichefs zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Medienstrategie gemacht. Dazu kommen Blogs, mit denen über die Bande zusammengespielt wird. Sie heißen Unzensuriert.at, politiknews.at, Kontrast-Blog und Fass-ohne-Boden.at
Blaues Imperium, aus der Not heraus
Die Freiheitlichen haben, so Generalsekretär Herbert Kickl, wegen der politischen Ausgrenzung der FPÖ aus der Not heraus schon vor vielen Jahren begonnen, ein blaues Medienimperium zu schaffen. Deshalb sind sie den anderen weit voraus. Facebook, FPÖ-TV mit Website, eigener YouTube-Kanal, "Neue Freie Zeitung" und befreundete Medien wie eben Unzensuriert, der "Wochenblick" in Oberösterreich und die Zeitschrift "Zur Zeit" von Vater und Sohn Mölzer.
ORF/ROSANNA ATZARA
Internet-Märchen im modischen Türkis
Die Kurz-ÖVP eifert der FPÖ nach, der neue Obmann ist dem Social-Media-Reichweiten-Kaiser Strache dicht auf den Fersen. Alles dreht sich bei der ÖVP um die Kurz-Facebook-Seite, die schon 566.000 Personen gefällt – und die Reichweite soll noch steigen. Die offizielle ÖVP-Homepage war wochenlang eine Baustelle, jetzt ist sie wieder freigeschaltet – und kommt als Kurz-Fanseite daher, mit der Email-Adressen gesammelt werden. Blogs zur Stimmungsmache lehnt Generalsekretärin Köstinger ab.
Blogs machen Stimmung und vernebeln
Die Kanzlerpartei SPÖ muss noch mehr aufholen, sie setzt dabei sehr wohl bewusst auch auf parteinahe Blogs, die manchmal fragwürdige Dinge verbreiten. Die Urheberschaft in der SPÖ wird in den Artikeln allerdings verschleiert, was viele kritisieren. Die Kritik trifft auch die Unzensuriert-Seite, die viele Berührungspunkte mit und ihre Wurzeln in der FPÖ hat. Die Partei geht aber bewusst auf Distanz, um das Beste aus zwei Welten zu haben – aus der offiziellen Welt und aus der eher hemdsärmeligen.
GIS-Abdrehen als Bonus für den Wahlkampf?
Gut im Netz verankert sind die NEOS. Die Partei selber und Parteichef Matthias Strolz haben jeweils mehr als 70.000 Fans auf Facebook. Die NEOS planen übrigens auch, die im Zuge der ORF-kritischen Aktion GIS-Abdrehen gesammelten 144.000 Mail-Adressen für den Wahlkampf einzusetzen. Rechtsexperten warnen davor, denn das dürfte gegen das Datenschutzgesetz verstoßen.
Grüne auch medientechnisch angezählt
Die Strategie der Grünen im Netz ist: einzeln marschieren, aber gemeinsam Aktionen starten. "Da versucht man dann schon, alle, die man hat, zu mobilisieren. Die tun auch miteinander, es gibt eine Vernetzung", sagt Mediensprecher Dieter Brosz.
In Wahrheit leidet die Reichweite der Grünen unter dem Ausstieg von Peter Pilz mit seinen 23.000 Facebook-Fans, und auch Eva Glawischnig haben die Grünen nicht mehr, die mit 33.000 Freunden den stärksten grünen Einzel-Account gehabt hat. Die neue Parteichefin Ingrid Felipe hält gerade einmal bei 4800 Likes, Klubobmann Albert Steinhauser nur bei 2800.