APA
Filmkolumne
Product Placement
Daniel Craig schlüpft nun also doch noch einmal in die Rolle des Geheimagenten Nummer 007. Wie bei jedem Bond-Film wird es dabei aber nicht nur um eine Agenten-Geschichte gehen. Pünktlich vor jeder neuen Bond-Folge ist die Öffentlichkeit in Aufruhr. Eine Situation, bei der sich vor allem findige Produktmanager die Hände reiben.
3. Oktober 2017, 02:00
Im Mittelpunkt steht dann nicht nur das neue Bond-Girl, sondern auch die Uhr des Agenten, sein Auto, sein Anzug oder das Smartphone des galanten Überlebenskünstlers. Apropos Uhr: US-Star Leonardo di Caprio trägt gern ein ganz bestimmtes Modell. Egal, ob in "The Great Gatsby", "Inception" oder auch "Blood Diamonds". Kein Zufall - sondern schlicht Werbung, Product Placement oder auch: Brand Integration, um den neuesten Begriff zu strapazieren. Aktuelle Filme sind voll davon. Eine Milliarden-Dollar-Industrie steht hinter den aktuellen Blockbusters. Dabei ist das Phänomen so alt wie das Kino selbst.
Verliebt. Verlobt. Verheiratet
Künstlerisch wertvoll und Product Placement gehen nicht zusammen? Jean-Luc Godard, Stanley Kubrick oder auch Fritz Lang würden nun die Hand heben und zarten Widerspruch artikulieren. Eine Kamerafahrt in Langs Klassiker "M- Ein Stadt jagt ihren Mörder" gleitet etwa die kleine Kino-Ewigkeit von 30 Sekunden über das Logo eines Kaugummi-Herstellers.
Seit die Bilder das Laufen gelernt haben, laufen sie Hand in Hand mit der Werbewelt. "Verliebt. Verlobt. Verheiratet." So könnte man die 1980er, die 1990er und die 2000er Jahre und ihr Verhältnis zu Product Placement in Kinofilmen beschreiben.
Verliebt. Die 1980er.
Ein Jahrzehnt, das besondere Pionierarbeit geleistet hat. Coca Cola gönnte sich gar ein eigenes Studio. Columbia Pictures prickelte von 1982 bis 1989 im mit Kohlesäure versetzen Braunton. Schon in den 1960ern etablierte Coca Cola ein eigenes Büro in Los Angeles um die Kontakte zur Kino-Industrie vor Ort pflegen zu können. Rote Dose, dynamisch geschwungener Schriftzug. Stolz wie das Amerika Ronald Reagans - und gierig danach, neue Geschäftsfelder zu eröffnen.
Die neu entstandene Video-Technologie samt Rekordern und der Durchbruch von Kabelfernsehen ließen Umsätze und Anziehungskraft der TV-Branche explodieren. Es war die perfekte Staffelei, um den in Flaschen abgefüllten amerikanischen Traum schick und publikumswirksam zu inszenieren.
Auch Steven Spielbergs kleiner Extraterrestrische ist nicht so unschuldig wie er sich gibt. Es sind nämlich gut sichtbare Erdnussbutter-Bonbons, die ihn aus seinem Versteck locken. Teure Ware, denn der Hersteller ließ sich die Szene eine Million Dollar kosten. Die Ernte konnte sich aber auch sehen lassen: man verzeichnete satte Zugewinne von 65 Prozent. Michael J. Fox‘ Marty McFly wiederum trinkt in Zurück in die Zukunft Pepsi, isst bei Pizza Hut und fährt ein ganz besonderes Vehikel: den mittlerweile legendären Dolorean.
Tom Cruises Sonnenbrillen in "Lockere Geschäfte" und "Top Gun" waren wie selbstverständlich Teil des Images. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren Marken nicht mehr nur Deko, sondern wesentlich für die Story, sie markierten Handlungspunkte und firmierten quasi als Protagonisten.
Verlobt. Die 1990er
1994 änderte Oliver Stone mit "Natural Born Killers" die Spielregeln. Er inszenierte Cola nicht in schön ausgeleuchteten Bildern, sondern durchsetzt mit brutalen Gewalteruptionen. Alles andere als familienfreundlich. Die Wirkung war unbestritten, die Firma - zumindest öffentlich - empört und die Aufmerksamkeitsmaschinerie schnurrte.
Es war aber ein englischer Gentleman-Spion, der mit Charme und Chuzpe unsere Sehgewohnheiten herausforderte, und - wie man es von ihm gewohnt ist - das Spiel auch gewann.
James Bonds "Golden Eye" glich 1995 einer Dauerwerbesendung. Im Auftrag Ihrer Majestät saß Bond plötzlich am Steuer eines bayrischen Sportwagens, der alte Aston Martin hatte - vorübergehend - ausgedient. Bond trank Smirnoff statt Martini, bezahlte mit Visa, nuckelte an Heineken Bier und sogar ein eigener Bond-Lippenstift wurde kreiert.
Drei Millionen Dollar soll BMW für die Nutzung des Z3 als Dienstfahrzeug bezahlt haben. So viele wollten daraufhin mit dem Bond-Feeling durch ihr Leben cruisen, dass BMW alleine mit dem Z3 240 Millionen Dollar einnahm.
Verheiratet. Die 2000er.
Superman - "Man of Steel". Im Jahr 2013 stehen bei dieser Adaption des All-American-Heroes 225 Millionen Dollar Produktionskosten zu Buche. Ebenso wie 100 Werbe-Partnerschaften und damit über 160 m Dollar Einnahmen alleine durch "kommerzielle Partnerschaften" - heißt: Firmen, deren Logos während des Films zu sehen sind finanzierten über zwei Drittel des Budgets. Product Integration dämpft also die Produktionskosten und steigert die Profite. Win Win, um im Jargon zu bleiben, oder auch: Mäzenatentum reloaded.
Das Streaming-Zeitalter bietet ähnlich lukrative Aussichten für Werbung wie das beginnende Video-Zeitalter in den 1980ern - dass ausgerechnet Werbefachmann Don Draper in der finalen Folge der Hit-Serie "Mad Men" die zündende Idee für eine neue Softdrink-Werbung hat ist also kein Zufall.
Üppig dotierte Lebensabschnitts-Partnerschaften
Aufmerksamkeit bleibt die Grundwährung der Branche. Wenn also Hollywood-Star Leonardo di Caprio als Jay Gatsby im gleichnamigen Film, als Dom Cobb in "Inception" oder als Danny Archer in "Blood Diamond" einer Uhrenmarke vertraut, dann prägt sich das ein. Schauspieler als Dauer-Testimonials - niemand scheint sich daran mehr wirklich zu stören.
Davor war übrigens Brad Pitts Handgelenk die Bühne für die Investition des Schweizer Unternehmens. Statt hier und da auf diesen oder jene Schauspielerin zu setzen, passt sich die Strategie heute der klassischen Werbung an. Es sind üppig dotierte Lebensabschnitts-Partnerschaften, Film egal. Hauptsache, die Uhr, das Auto, die Unterwäsche, das neue Handy ist im Bild. Inszeniert von Hollywood Regisseure und in Mumbai genauso zu sehen wie in Moskau oder Wien. Weltmarken unter sich also.
Same Same. But Different.
Das gegenwärtige Streaming-, und anbrechende Virtual-Reality-Zeitalter folgt also altbekannten Mustern. Neue Technologien bedeuten neue Formate bedeuten neue Modelle, um damit Geld zu verdienen. Es ist die ewig gleiche Geschichte, die in moderne Kleider verpackt, gerade aufs Neue zu bestaunen ist. Wenn Virtual Reality wirklich abhebt, kann man sich darauf einstellen, dass der Weg zu den neuen Erfahrungen mit Brille nur durch einen Dschungel aus Werbebotschaften und gebrandeten Erlebnissen führt. Wo immer sich die Zuseher hinbewegen, die großen Marken sind längst schon da.