Ö1 gehört gehört

Christian Muthspiel

Wir hatten in meiner Kindheit keinen Fernseher, meine Eltern hörten nur Ö1. Bei der alten Signation von Du holde Kunst hab ich das Bild meiner Mutter vor Augen, wie sie beglückt Frühstück für uns bereitet; dieses besondere Gefühl: Sonntagmorgen und kein Stress.

Christian Muthspiel

Christian Muthspiel, Posaunist und Komponist

LUKAS BECK

Meine zweite Erinnerung ist der geheimnisvolle Radioapparat mit dieser beleuchteten Schrift -Jauerling, Hilversum, Innsbruck, Rotterdam. Ich stellte mir vor, wie die Orchestermusiker in dieser leuchtenden Kiste alle Platz haben können. Und dann der legendäre Walter Richard Langer: Über ihn lief meine erste Begegnung mit Jazz.

Das Besondere an Ö1 ist die gute Mischung aus Kunst, Information und Themen, die in der Luft liegen. Diese Balance stimmt für mich. Ich beneide Leute, die in einer Werkstatt etwas zeichnen oder einen Sessel bauen und nebenbei Radio hören können. Als Musiker kann ich nicht während der Arbeit aufdrehen. Ich nutze meist die 7-Tage-App zum Nachhören, zum Beispiel für die "Menschenbilder", meine Lieblingssendung.

Ich schätze den großen Aufwand, die Sorgfalt und die Zeit, die in die Sendungen investiert werden. Das kostet natürlich Geld, schafft aber Werte.

Sonst ist es mein tägliches Ritual, während das "Mittagsjournal" läuft, meine langweiligen Lippenübungen zu machen. Als Blechbläser kommt man nicht drum herum, die Lippen- und Kiefermuskulatur zu trainieren, wie ein Sportler. Manche lesen dabei, andere schauen Netflix, ich hör Ö1. Die Länge ist ideal, und obendrein ist es eine sehr reflektierte und kritische Nachrichtensendung. Nach einer Stunde bin ich aufgewärmt und kann mit dem musikalischen Üben beginnen. Lustig ist, dass die alte Signation des "Mittagsjournals" auf E endet. E ist der tiefste Ton auf der Posaune, und das übernehm ich fliegend für den Übungsbeginn. In meiner neuen Signation kommt das E nur mehr im Schlussakkord vor.

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Lukas Beck

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