Wahlurne

APA/ROLAND SCHLAGER

Soziale Netzwerke

Neues Tool: Facebook mischt im Wahlkampf mit

Ein neues Facebook-Service zur Nationalratswahl lässt Nutzer die Positionen der Parteien zu unterschiedlichen Themen vergleichen. Eine solche Wahlentscheidungshilfe wird von einigen Medien angeboten. Agiert Facebook hier als journalistisches Medium?

Parteien zu ihren politischen Inhalten Fragen stellen, Themen und Kandidaten auswählen - das sind eigentlich ur-journalistische Aufgaben. Genau das macht "Perspective", ein neues Angebot auf Facebook, das es Menschen laut dem Netzwerk einfacher machen soll, die Positionen der Parteien zu vergleichen. Das Soziale Netzwerk sieht das als Beitrag, die Debatte im Netz zu versachlichen.

Screenshot

SCREENSHOT

Facebook-Tool

Keine Verantwortung bei Inhalten

Dabei hat Facebook in der Vergangenheit wiederholt darauf gepocht, eben kein Medium zu sein, sondern nur eine Plattform, die die Inhalte seiner Nutzer verbreitet. Die Debatte wurde vor allem rund um das Thema Hass im Netz geführt, bei der Facebook sich weigert, für strafrechtlich relevante Inhalte verantwortlich zu sein.

"Facebook trifft inhaltliche Entscheidung"

Bei dem Wahlhilfe-Angebot "Perspective", wie es nun auch in Österreich abrufbar ist, finden aber sehr wohl journalistische Entscheidungen statt. Für die Internet-Expertin und Buch-Autorin Ingrid Brodnig ist das widersprüchlich: "Das zeigt einmal mehr diese ambivalente Haltung, die Facebook zu inhaltlichen Fragen hat. Einerseits betont Facebook gerne, gerade wenn es Kritik gibt, man sei ja nur eine neutrale Plattform. Ich glaube, das ist aber nicht die ganze Wahrheit." Für Brodnig ist Facebook zwar kein journalistisches Medium, aber: "Mit solchen Tools, wo wir jetzt Infos von den Kandidaten bekommen, trifft Facebook ja auch eine inhaltliche Entscheidung. Es entscheidet, welche Kandidaten dort vorkommen dürfen, und es entscheidet den Rahmen, wie viel man schreiben kann."

Ingrid Brodnig

Ingrid Brodnig

APA/GEORG HOCHMUTH

Wer mitmachen darf

Brodnig kritisiert die mangelnde Transparenz. Es fehle an Aufklärung, nach welchen Kriterien Facebook diese Entscheidungen trifft und wie das Service überhaupt funktioniert. "Wir wissen zum Beispiel nicht, wie viele Österreicher dieses Tool eingeblendet bekommen haben."

Und auch nicht allen Parteien wird dieses Wahl-Hilfe-Service, das sich direkt an Facebook-Nutzer wendet, angeboten. Die Liste Pilz ist bei dem Positionsvergleich dabei - andere Kleinparteien, die auch nicht im Nationalrat vertreten sind, aber nicht. "Genau so was sorgt ja auch für Debatten, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk entscheidet, wer bei TV-Duellen dabei sein darf und wer nicht", sagt Brodnig.

Facebook kennt politische Vorlieben

Österreich ist nicht das erste Land, in dem Facebook dieses Tool anbietet. Erstmals kam es bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich dieses Jahr im Mai zum Einsatz. Danach wurde es auch in Großbritannien und Deutschland angeboten.

In diesen Fällen war es so, dass Nutzern der Service angezeigt wurde, wenn ein aktueller Politik-Artikel angeklickt wurde. Welche Positionen von welchen Kandidaten dann gelesen werden, ist zwar eine weitere Datenquelle, aber zumindest kein - zusätzlicher - Grund zur Sorge. "Wenn ich da schon besorgt bin, dann glaube ich, sollte ich generell die Finger von Facebook lassen", sagt Ingrid Brodnig. Facebook wisse schon jetzt, bei welchen Kandidaten man mitliest, und kann nicht nur so die politischen Präferenzen der Nutzer erkennen.

Wahlaufruf von Facebook

Dass Facebook besonders in Wahlkampfzeiten seine Macht beweisen kann, zeigt ein anderes Facebook-Experiment aus der Vergangenheit. Bei der Präsidentenwahl in den USA 2010 wurden Nutzer auf Facebook dazu aufgerufen, wählen zu gehen. 60 Millionen Amerikanern wurde diese Erinnerung eingeblendet. Forscher haben im Anschluss ausgewertet, ob das das Wahlverhalten beeinflusst hat. "Es stellte sich heraus: Dieses eine Pop-Up führte zu einer Erhöhung der Wahlbeteiligung in den gesamten USA um 0,14 Prozent", erzählt Brodnig. Das klingt nach keiner großen Veränderung. Aber: "Wenn Al Gore im Jahr 2000 in Florida 0,14 Prozent mehr Stimmen gehabt hätte, wäre er Präsident der Vereinigten Staaten geworden." Das zeige die Macht von Facebook.

Übersicht