Die Mauer in Bethlehem

AP/TARA TODRAS-WHITEHILL

Die Ärztin hinter den Mauern Bethlehems

Hiyam Marzouqa ist Chefärztin im einzigen Kinderspital in Palästina, das auch die Mütter bei der Behandlung der Kinder aktiv einbindet. Renata Schmidtkunz hat die Ärztin, die in Deutschland Medinzin studiert hat, zum Gespräch getroffen.

Die ganze Welt schaut gerade wieder in den Nahen Osten. Donald Trump schürte mit der geplanten Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem ein ohnehin immer schwelendes Feuer. Die Reaktion darauf waren Unruhen im gesamten Gebiet der Palestinian Authorities, also jener Gebiete, die von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet und eines Tages vielleicht doch einmal zu einem Staat der Palästinenser werden können.

Geburtskirche Bethlehem mit Touristen

Die Geburtskirche in Bethlehem

AP/NASSER SHIYOUKHI

Nur 10 km südlich von Jerusalem, liegt ein wichtiger, um nicht zu sagen, heiliger Ort der Christenheit: Bethlehem. Eine selten schöne Stadt in den Hügeln Judäas. Auf Hebräisch heißt sie Efrata und kommt in der Bibel zum ersten Mal im Kapitel Genesis vor: Jakobs Frau Rahel wird dort begraben. König David soll dort geboren worden sein. Und auch der Messias wird aus Bethlehem erwartet.

Nach den Evangelisten Matthäus, Lukas und Johannes kam Jesus in Bethlehem zur Welt. Bethlehem, die Stadt der unschuldigen Kinder, ist heute von einer bis zu 8 Meter hohen Mauer umgeben. Noch vor 50 Jahren gab es im damals überwiegend christlichen Bethlehem nur einige Moscheen, heute sind es fast hundert. Mehr als 10.000 Christen haben seit 1994, seit der Übergabe der Stadt an die Palästinensische Autonomiebehörde, die Stadt verlassen.

Auch Dr. Hiyam Marzouqa hat in den 1980-er Jahren Bethlehem für einige Jahre verlassen. Mit einem Stipendium des Deutschen akademischen Austauschdienstes DAAD war es der Tochter eines Lehrers möglich, nach Würzburg und später Freiburg zu gehen, um Medizin zu studieren. Aber von Anfang an war ihr klar, dass sie in ihre Geburtsstadt zurückkehren wird, wo ihre Eltern heute ein Hotel für christliche Pilger führen und ihre sechs Geschwister mit ihren Familien leben. 1990 kam Hiyam zurück, um im 1952 von dem Schweizer Priester Pater Ernst Schnydrig gegründeten Caritas Baby Hospital zu arbeiten.

Hiyam Marzouqa mit Kind

CHILDREN'S RELIEF BETHLEHEM/CARITAS BABY HOSPITAL

Nur scheinbar sicherer

Hiyam Marzouqa spricht über die Mauer in ihrer Stadt

Zu Beginn der 1990er Jahre, während der ersten Intifada, versorgte Hiyam Marzouqa viele Kinder und Jugendliche, die in Auseinandersetzungen mit der Israelischen Armee – zum Teil schwer – verletzt wurden. Sie entdeckte aber auch Krankheiten, von denen sie an den deutschen Universitäten nichts gelernt hatte und die zu heilen sie selbst herausfinden musste. So zum Beispiel genetische Krankheiten, die entstehen, wenn die Eltern der Kinder zu nah verwandt sind.

Eines der schönsten Erlebnisse in meiner Arbeit ist es, ein Kind gesund zu sehen, bei dem ich mir vorher Sorgen gemacht habe, ob es überleben wird.

Seit 2006 ist Hiyam Marzouqa, selbst Mutter von zwei erwachsenen, in Deutschland studierenden Söhnen, Chefärztin im einzigen Kinderspital in den palästinensischen Gebieten, in dem auch die Mütter in die Behandlung der Kinder einbezogen werden. Mit 82 Betten auf vier Stationen und einer immer vollen Ambulanz bietet das Hospital medizinische Versorgung für fast 42.000 Kinder pro Jahr an.

Ganzheitlicher Ansatz

Auch das soziale Umfeld wird mitbedacht: viele Familien leben aufgrund der politischen Situation in Armut. Die Kinder und Jugendlichen haben wenig Perspektiven, können weder zum Mittelmeer reisen noch in andere Gebiete Israels oder der besetzten Gebiete und auch ihre Zukunftsaussichten sind nicht rosig.

An Geld fehlt es immer – das Hospital wird von einem Verein getragen - , nicht aber an Motivation. 220 Angestellte – von Ärzten bis zum Putzpersonal – versuchen, auf höchstem medizinischem und psychologischem Niveau zu helfen, wo sie nur können.