FILMLADEN FILMVERLEIH
Film
Lustvolle Gratwanderung - "Voll verschleiert"
Mit ihrem Spielfilmdebüt "Voll verschleiert" legt die iranisch-französische Dokumentarfilmerin Sou Abadi eine rasante Verwechslungskomödie und ein filmisches Wagnis vor: Sie gießt die Themen Islamismus und Fundamentalismus in die Form einer rasanten Verwechslungskomödie. Und das Rezept geht auf.
28. Jänner 2018, 02:00
Mittagsjournal | 28 12 2017
Kulturjournal | 28 12 | Interview
"Gerade Menschen aus muslimischen Ländern litten und leiden am meisten darunter, dass der Terror die Grenzen zum Westen durchbrochen hat." Sou Abadi im Gespräch über die iranische Gesellschaft, Lachen als Therapie und religiösen Extremismus.
Vom Skater zum Dschihadisten
Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt im Jemen kommt der große Bruder radikalisiert zurück und stellt Leilas Weltbild und Zukunftsvision völlig auf den Kopf. Statt mit ihrem Freund Armand in New York ein Praktikum bei den Vereinten Nationen zu absolvieren, wird sie vom Bruder zu Hause fest gehalten, samt Handy-Entzug und sofortigem Verbot, die Beziehung weiterzuführen. Seine eigenen Skaterschuhe wandern ebenso in den Müll wie die Plakate der ehemaligen Lieblingsbands, die er von den Zimmerwänden reißt. Ab jetzt will Mahmoud sich allein dem Gebet und der Verbreitung seines Glaubens widmen - mit allen, notfalls auch radikalen, Mitteln.
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Verhüllungsgebot und Verschleierungstaktik
Doch Armands iranische und afghanische Freunde wissen Rat: "Was glaubst du, wie wir früher zu Hause unsere Freundinnen besuchten?" - Und so steht der angehende Diplomat kurzerhand als schüchternes Mädchen namens Schéherazade im Tschador vor Leilas und Mahmouds Tür, um bei ihr Nachhilfe zu nehmen. Die Tarnung wäre perfekt, würde er nicht, gewissermaßen im Vorbeigehen, zugleich Leilas Bruder Mahmoud den Kopf verdrehen und außerdem versehentlich von seiner eigenen Mutter, iranische Kommunistin und glühende Feministin, in voller Montur entdeckt werden.
ALEXANDER GONSCHIOR
Humorvoll Seitenhiebe in alle Richtungen
Die gebürtige Iranerin Sou Abadi nimmt in ihrem Spielfilmdebüt alle aufs Korn: Armands feministische Mutter ebenso wie den kommunistischen Vater, Leilas naiven, religionsbesessenen Bruder genauso wie die gutbürgerliche, scheinbar so aufgeklärte Pariser Gesellschaft rund um ihn. Dass Armands Deckname und seine hübschen Geschichten über die spirituelle Seite des Islam bei Mahmoud bis zuletzt keinen Argwohn auslösen, gehört da ebenso dazu wie die Neigung seiner Mutter zu exzessiven Demonstrationen ihres Feminismus, zum Beispiel in einem Protestvideo, das sie mit nacktem Oberkörper daheim im Wohnzimmer dreht.
Sie habe das Gefühl, der in den Westen übergeschwappte Terrorismus sei nun lange genug beweint worden, es sei Zeit, wieder herzlich zu lachen, und zwar gemeinsam, unabhängig von religiöser oder ideologischer Zugehörigkeit, so die Filmemacherin. Bis dahin müssen im Film allerdings noch zahlreiche Komplotten ausgeheckt, Intrigen gesponnen und verschleierten Verwirrspielen absolviert werden, bei denen Armands Eltern samt ehemaligen iranischen Genossen mit Feuereifer die Fäden ziehen.
Verschmitzt, verschleiert, vergnüglich
"Voll verschleiert" ist eine lustvolle filmische Gratwanderung entlang gleich mehrere Grenzen, etwa jener der politischen Korrektheit oder jener zwischen Realismus und Absurdität. Wer sich auf die rasante, und brillant gespielte Verwechslungskomödie einlässt, wird ganz nebenbei mit zahlreichen spannenden Erkenntnissen und charmanten Denkanstößen belohnt.