STEFAN JOHAM
Florian Klenk
Von Schoßhunden und Watchdogs
Warum es auch für Zeitungen in Ordnung ist, politische Standpunkte zu haben, wie sich Journalisten instrumentalisieren lassen und was das mit dem Redaktionsgeheimnis zu tun hat. Der Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung "Der Falter" im #doublecheck-Interview mit Stefan Kappacher.
5. Februar 2018, 02:00
Der "Falter" sieht sich als Watchdog der Politik, vor allem gegenüber der neuen Regierung, sagt der Chefredakteur des Wochenblatts, Florian Klenk: "Journalisten sollen einen Outsider-Ethos pflegen. Journalismus soll nicht die Nähe suchen im Sinne einer Bestätigung. Er soll nicht Schoßhund sein, sondern Wachhund."
Bedürfnis nach Nähe
Klenk kritisiert eine zunehmende Verhaberung zwischen Politik und Journalismus in Österreich. "Ich habe das Gefühl, dass es ein komisches Bedürfnis gibt, in der Nähe sein zu wollen, aber nicht, um etwas zu erfahren, sondern um irgendwie umarmt zu werden oder umarmen zu dürfen." Die fehlende Distanz schlage sich in der Berichterstattung nieder - und lasse sich manchmal auch aus den Twitter-Profilen österreichischer Journalisten herauslesen. Etwa, wenn von Pressereisen getwittert wird. Florian Klenk: "Ich habe kein Problem damit, wenn ein Journalist einen Bundeskanzler im Flugzeug begleitet. Aber man muss merken, wann spielt mir der Politiker ein Schauspiel vor?" Aus der Nähe lasse sich die Inszenierung schwerer erkennen, sagt Klenk.
Umgekehrt würden Politiker auch die Nähe zu Medienschaffenden suchen. Freundschaften zu Politikern habe er keine, sagt Klenk. Und auch mit dem Du-Wort ist der Falter-Chefredakteur vorsichtig. "Ich versuche es zu vermeiden, wo es nur geht."
Florian Klenk im Interview mit Stefan Kappacher über Verhaberung im Journalismus
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Keine Beißhemmung
Der Vorwurf der Verhaberung trifft nicht nur einzelne Journalisten, sondern mitunter auch ganze Medien. Dem "Falter" wird eine Nähe zur Stadt Wien nachgesagt, immerhin sind die Inserate der Stadt für den Verlag überlebensnotwendig, sagte auch Falter-Geschäftsführer Siegmar Schlager in der #doublecheck-Ausgabe vom Dezember. Dass man auf dem linken Auge blind sei, diesen Vorwurf habe man durch viele Geschichten der vergangenen Jahre widerlegt, meint Florian Klenk. Er nennt Artikel zu Alfred Gusenbauer, zur Silberstein-Affäre oder auch die "kritischsten Interviews" überhaupt mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl.
Eine Beißhemmung gegenüber der Stadt Wien oder der SPÖ gebe es nicht. Der "Falter" lege großen Wert darauf, dass die Redaktion von der Anzeigenabteilung getrennt ist. "Den Imageverlust und den Verlust an Glaubwürdigkeit, wenn je herauskäme, dass wir eine Geschichte nicht schreiben oder schreiben, weil die Stadt Wien das will - den kann ich mit hundert Inseratenseiten nicht wettmachen." Die Stadt Wien, sagt Klenk, habe auch nie Druck ausgeübt oder versucht, die Berichterstattung zu beeinflussen.
Florian Klenk
Legitimes Meinungsspektrum
Das heiße aber nicht, dass der Falter nicht eine "left-leaning" Zeitung sei, wie die Stadtzeitung von der "New York Times" einmal genannt wurde. "Wir sind nicht Servus TV und Wegscheider. Natürlich gibt es ein Meinungsspektrum in einer Presselandschaft und das ist auch gut so. 'Die Presse' wird Dinge immer anders hinterfragen, als es der Falter tut, und Michael Fleischhacker bei Addendum wird wiederum eine andere Linie haben. Ich finde, man sollte das aussprechen, dass es das gibt. Wir sind nicht alle die Austria Presse Agentur", sagt Klenk.
Klenk spricht über die Nähe des "Falter" zur Stadt Wien
Verbindungen offenlegen
Den Abschied der Grünen aus dem Parlament bedauert Klenk aus journalistischen Gründen. Die Grünen hätten den "Falter" mit Informationen versorgt. "Die haben parlamentarische Anfragen stellen können, sind in Ausschüssen gesessen, die haben Ministerien kontrollieren können. Und diese Kontrollfunktion ist weg." Besonders eng waren die Bande (nicht nur) des "Falter" zu Peter Pilz, der zwar mit seiner eigenen Liste ins Parlament eingezogen ist, aber dann wegen Sexismus-Vorwürfen, die ausgerechnet der Falter-Chefredakteur recherchiert hat, das Mandat nicht angenommen hat.
Eine "sachpolitische Zusammenarbeit" zwischen Medien und Politikern habe es etwa rund um die BUWOG-Affäre mit der Grünen Gabriele Moser gegeben, sagt Klenk. Für Geschichten und Recherchen zusammenzuarbeiten heiße nicht gleich, sich instrumentalisieren zu lassen. Derartige Verbindungen seien aber möglichst offenzulegen.
Spielball Redaktionsgeheimnis
"Grundsätzlich gilt, dass wir über die Leute, die uns Informationen geben, schweigen, wenn die das wollen. Das ist das Redaktionsgeheimnis. Das ist ein Privileg." Er verstehe daher, dass die Redaktionen sich darauf berufen haben, so Klenk. Das Redaktionsgeheimnis lasse sich aber auch ausnützen. Denn Informanten wüssten nur zu gut, dass sie aufgrund des Quellenschutzes nicht gegen ihren Willen genannt werden dürfen. Es sei ein Problem, "wenn das Redaktionsgeheimnis benutzt wird, um andere anzupatzen".
"Maximale Quellentransparenz"
Florian Klenk plädiert daher für maximale Quellentransparenz. "Ich glaube, jeder Journalist und jede Journalistin sollte seine Quelle inständig darum bitten, dass man sie offenlegen kann, es sei denn, diese Quelle wird dadurch wirklich gefährdet oder diese Quelle ist jemand, der Öffentlichkeit nicht aushält."
Im Vorfeld der "Falter"-Berichte rund um den Vorwurf der sexuellen Belästigung durch Peter Pilz ist Klenk von sich aus mit einem Facebook-Posting an die Öffentlichkeit gegangen, um die Rechercheschritte offenzulegen. Dafür gab es viel positiven Zuspruch, so Klenk. "So wie man bei Meinungsumfragen den Auftraggeber, das Sample und die Schwankungsbreite nennen sollte, sollte man eigentlich auch bei Information, die man bekommt, sagen: woher kommt sie, mit welchem Auftrag kommt sie, mit welcher Motivation wird sie an uns herangetragen."