ASSOCIATED PRESS
"Ich bin eine Persona non grata"
Autorin Lizzie Doron im Interview
Die israelische Schriftstellerin Lizzie Doron hat sich in ihren letzten Romanen mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt beschäftigt. In ihrem jüngsten Buch "Sweet Occupation" erzählt sie unter anderem von Suliman, einem zu 15 Jahren Haft verurteilten palästinensischen Terroristen, der durch Nelson Mandelas Biografie nach seiner Entlassung zu einer der Führungsfiguren der arabisch-palästinensischen Friedensbewegung wird. Seit Erscheinen dieses Buches wird Doron nicht nur in ihrem Land wie eine Aussätzige behandelt.
8. Februar 2018, 02:00
Mittagsjournal | 08 01 2018
Mirko Schwanitz
Schreiben über ein Trauma
Mehr als zwei Jahrzehnte gehörte Lizzie Doron zu bekanntesten Autorinnen in Israel. ihre Bücher wurden allesamt Bestseller. Das ist vorbei: "Aktuell bin ich eine persona non grata. Man lädt mich nicht mehr ein zu Veranstaltungen in Yad Vashem, zu keiner Zeremonie an einem Memorial Day. Ich darf keine Vorlesungen, keine Rede mehr halten."
Der Grund: Lizzie Doron hat es gewagt, über ein anderes Trauma, als das des Holocaustes zu schreiben. In ihren beiden letzten Romanen "Who the fuck is Kafka" und "Sweet Occupation" thematisiert sie den palästinensisch-israelischen Konflikt. In "Sweet Occupation" machte sie gar einen ehemaligen palästinensischen Terroristen zur Hauptfigur.
"Als Autorin verübst du Selbstmord"
Lizzie Doron: "Meine Verleger sagten: Lizzie, das Thema Holocaust hat sich so gut verkauft. Warum hörst Du plötzlich auf, uns Geschichten darüber zu erzählen? Warum erzählst du plötzlich über das leidige Palästinenserthema. Deine neuen Bücher sind wunderbar. Aber mit diesem Thema verübst du als Autorin Selbstmord."
Bis heute wagte kein israelischer Verlag, Lizzie Dorons neue Romane zu veröffentlichen. Zu brisant scheint ihnen der darin unternommene Versuch, Ursachen und Wirkung des Nahost-Konflikts auf das Denken und Fühlen von Palästinensern gleichberechtigt neben das von Israelis zu stellen. Aber nicht nur israelische Verlage weigern sich, Dorons Romane zu veröffentlichen.
Absagen auch aus Schweden und Frankreich
"Alle arabischen Verlagshäuser lehnen israelische Autoren generell ab. Sie haben Angst. Aber nach dem Terrorangriff auf die Bataclan-Konzerthalle und die Satirezeitschrift 'Charlie Hebdo', weigerte sich plötzlich auch mein französischer Verleger 'Sweet Occupation' zu veröffentlichen," sagt die Autorin. "Keiner will sich mit diesem Thema beschäftigen. In Schweden das gleiche: Auch dort wurden meine neuen Bücher abgelehnt."
Dabei geht es in Dorons Roman "Sweet Occupation" doch gerade um die Suche, wie man aus dem israelisch-palästinensischen Dilemma herauskommen kann. Trumps neue Jerusalem-Politik stärke jedoch nicht die in "Sweet Occupation" beschriebenen Kräfte, sondern schüre Angst und polarisiere die Region stärker als je zuvor. Früher glaubte die jüdische Bevölkerung zumindest, Israel würde sie schützen. Diese Überzeugung aber teilten heute immer weniger, sagt Lizzie Doron.
"Deshalb wollen In Israel immer mehr Leute einen zweiten Pass haben. Ich sehe die Schlangen vor den Botschaften Rumäniens. Deutschlands, Frankreichs. Aktuell gibt es sogar ein Angebot von Spanien, weil viele Juden dort einst durch die Inquisition vertrieben wurden." Trumps Vorstoß habe aber auch etwas Gutes: Israel werde gezwungen, über seine Zukunft intensiver denn je nachzudenken.
"Eine Therapie täte gut"
"Wir befinden uns in einem psychoanalytischen Prozess, der nach Therapie ruft und nach tiefgehenden historischen Diskussionen. Ist vielleicht die Schweiz mit ihren Kantonen ein Vorbild? Das wäre schön. Araber und Israelis teilen nicht die gleichen Träume, haben nicht die gleiche Mentalität. Wir sind sehr verschieden. Wir müssen erst einmal die Frage beantworten, wer wir selbst sein wollen. Zurzeit haben in unserem Staat drei Millionen Menschen keine Rechte. Wofür also wollen wir kämpfen? Für einen ausschließlich jüdischen oder einen demokratischen Staat? Das würde dann aber bedeuten, dass wir ein Staat nicht nur für die Juden, sondern für alle Menschen sind."
Für Lizzie Doron ist es absolut notwendig, dass ihr Land sich dieser Auseinandersetzung endlich stellt. Höchste Zeit also, das Stimmen wie die von Lizzie Doron auch in Israel wieder Gehör finden. Und Verlage endlich den Mut finden, Bücher zu veröffentlichen, die sich auf unkonventionelle Weise für eine israelisch-palästinensische Aussöhnung einsetzen.
Service
Lizzie Doron, "Sweet Occupation", Roman, aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler, dtv