ORF/JOSEPH SCHIMMER
Im Gespräch
Die Freiheit, zu wählen
Die Politologen Ulrich Brand und Markus Wissen haben gemeinsam ein neues Buch geschrieben: „Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus“. Die Quintessenz ihrer Thesen lautet: der globale Norden bereichert sich auf Kosten des globalen Südens. Das bringt nur für Menschen des Nordens Vorteile im Alltag. Sie haben sich daran gewöhnt. Doch diese Gewohnheiten können geändert werden.
17. Februar 2018, 02:00
Im Gespräch
"Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten" | 18 01 2018
Der Apfel aus China, das Öl aus den arabischen Staaten, der Sommerurlaub auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik, die Pflegerin von den Philippinen, das 75. T-Shirt aus Bangladesch, das Holz für den Wohnzimmertisch aus dem Regenwald, und so weiter und so fort. Die Art und Weise wie wir konsumieren, was wir konsumieren, wie wir uns fortbewegen und wo wir in den Urlaub fahren, kann nur dadurch aufrechterhalten werden, indem Menschen in anderen Gegenden dieser Welt genau das nicht tun können. Und es auch nicht tun werden können. Würde die ganze Welt so leben, wie wir, wir könnten uns diese Erde nicht mehr leisten. Wie sehr jemand von uns Teil dieser imperialen Lebensweise ist, hängt vom Einkommen, der Schicht- oder Klassenzugehörigkeit ab. Wer versucht, sein eigenes Konsumverhalten zu überdenken und sich bewusst macht, woher die billigen Produkte kommen und welche Konsequenzen sie oft nach sich ziehen, der sollte sich nach Ulrich Brand im Klaren sein, dass dieses Verhalten allein nicht alles ändern kann.
"Wir brauchen Regeln"
Ulrich Brand über bewussten Konsum und seine Grenzen
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Ulrich Brand beschränkt sich als Universitätsprofessor allerdings nicht nur darauf, die Probleme unserer Zeit zu benennen und zu analysieren, sondern er versucht auch, sein eigenes Leben gemäß seinen Forschungsergebnissen auszurichten. So besitzt er selbst etwa kein Mobiltelefon. Und in Wien bewegt er sich bevorzugt mit dem Fahrrad. Das versteht er als praktische Kritik an der Automobilität, eine Fortbewegungsform, die in Brands Augen Ausdruck der imperialen Lebensweise ist.
Die Lebensweise und die Produktionsweise müssen sich ändern
Brand, der auf der Bodenseeinsel Mainau aufgewachsen ist, entschied sich schon in jungen Jahren gegen eigene Kinder. Er wollte, so Brand in einem Interview, „einen politischen Lebenswandel, der im ermöglichte zu studieren, zu lesen, zu schreiben, zu diskutieren und vor allem Wissen weiterzugeben. Um die imperiale Lebensweise zu verlassen, braucht es zweierlei: Einerseits die Veränderung der individuellen Gewohnheiten und andererseits strenge, von der Gemeinschaft erarbeitete Regeln. Diese Regeln betreffen vor allem die Ausbeutung der Natur und einen effektiven Klimaschutz. Brand will das Leben der Menschen im globalen Norden allerdings nicht erschweren oder gar unnötig beschränken. In seinen Augen sind Regeln notwendig, damit sich neue Perspektiven auftun und sich bestimmte Praktiken, die die Ausbeutung gesellschaftlicher und natürlicher Ressourcen befördern nicht noch mehr verstärken.
Ulrich Brand über mögliche neue Regeln für das Zusammenleben
Nicht die Verbotsgesellschaft ist also das Ziel von Ulrich Brand und Markus Wissen. Vielmehr erfordern Regeln eine profunde gesellschaftliche Diskussion, damit sowohl der Einzelne als auch die Gesellschaft ihre Notwendigkeit verstehen.
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