
APA/ROLAND SCHLAGER
Von Meeresgöttinnen und Bergdämonen
Das Weltmuseum Wien gewährt Einblicke in faszinierende Denk- und religiöse Sinnwelten. Von westafrikanischen Voodoo-Kulten über vorbuddhistische Dämonen im Himalaya bis hin zu den Schutzgöttern der Südsee. So unterschiedlich die kulturellen Kontexte sein mögen, in allen Ecken und an allen Enden der Erde scheinen Menschen immer und immer wieder eines zu versuchen: das Geheimnis des Lebens zu deuten.
26. August 2018, 02:00

KHM MUSEUMSVERBAND
Zwei Hofzwerge aus dem Königtum Benin
Afrika - Benin
Im alten Königreich von Benin waren der Überlieferung nach sogenannte Hofzwerge der Nachrichtendienst des Königreichs, persönliche Informanten des Königs über Geschehnisse in seinem Reich. Das Weltmuseum Wien stellt viele Objekte aus dem alten, mächtigen Königreich Benin aus, das bis zum Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig gewesen ist. So auch zwei Figuren von Hofzwergen aus dem 16. Jahrhundert.
Viele der ausgestellten Gegenstände haben insofern auch einen religiösen Charakter als sie zu einem ausgeklügelten Orakel-System, zum sogenannten Ifa-Orakel, gehören. Dieses Orakel geht auf die Tradition des Yoruba-Volkes zurück und wurde auch in Benin verwendet. Dazu gehört auch ein Orakelstab aus dem Stoßzahn eines großen Elefanten.
Durch Klopfen mit dem Orakelstab rief der Orakelpriester Geister, Götter, Ahnen und bedeutende, verstorbene Orakelpriester herbei. Es wurden also alle Kräfte, die in der Welt wirksam sind, versammelt. Dieses höchst komplexe Orakelsystem wird auch heute noch in den traditionellen westafrikanischen Religionen von Orakel-Priesterinnen und -Priestern verwendet, sie geben damit Hilfesuchenden Wegweisung und Orientierung.
Tao
Wiener Weltmuseum: Von Meeresgöttinnen und Bergdämonen 25 08 2018 | 19:05 Uhr
Das Orakelsystem ist nur ein Teil einer Welt, die voll von unterschiedlichsten Gottheiten und Naturkräften ist, an die sich die Menschen in bestimmten Lebenslagen wenden. Die beliebteste Göttin dieser Götterwelt ist die Meeresgöttin Yemoja, die Mutter der Fischkinder.
Sie war ursprünglich die Flussgöttin eines bestimmten Flusses und wurde durch ihre Anhänger im gesamten Benin verbreitet. Durch den transatlantischen Sklavenhandel gelangte Yemoja in die Neue Welt. In Brasilien wird sie auch heute noch verehrt.
Asien - Himalaya
Der Alltag der Menschen im Himalaya, ihr Leben, ihre Arbeit, war immer von ihren religiösen Vorstellungen aus dem Buddhismus und aus den Hindu- und Bön-Traditionen durchdrungen. Mindestens einmal im Jahr mussten verschiedene dämonische Wesen, übernatürliche Besitzer des Bodens, die sich durch pflügen und das umgraben der Erde gestört fühlten, durch Opfergaben besänftigt werden.
Ozeanien - Mikronesien, Melanesien und Polynesien
In den Kulturen Ozeaniens gab es umfassende Regeln dafür, wie man sich sozial höher gestellten Personen nähern durfte - mit welchen Gesten und Handlungen. Zugleich war der soziale Status einer Person auch in den Körper eingeschrieben, mittels Tätowierungen. Diese Tradition hat sich bis heute gehalten.
Vor der Christianisierung gab es in Ozeanien, zum Beispiel beim Volk der Maori eine ausgeprägte Götterwelt, zu der auch Kulturheroen und Schutzgeister zählten. Ahnenverehrung war auch hier zentral.

Altmexikanischer Federkopfschmuck, frühes 16. Jahrhundert
KHM MUSEUMSVERBAND
Mittelamerika - die Azteken und Mayas
Im Weltmuseum Wien zeugen Steinskulpturen von Göttinnen und Göttern von der religiösen Vorstellungswelt der mesoamerikanischen Hochkulturen der Azteken und der Maya.
"Quetzalcoatl, die grüngefiederte Schlange, war die Hauptgottheit der Azteken. In der aztekischen Überlieferung der Erschaffung der Welt, springen zwei Götter ins Feuer und so entstehen Sonne und Mond, die sich allerdings nicht bewegen. Daraufhin opfert Ehecatl, der Gott des Windes, alle Götter und bläst Sonne und Mond an und so beginnt der Kreislauf. Diese Geschichte wird oft als Begründung für das Menschenopfer bei den Azteken interpretiert. Demnach sollten Menschenopfer den Kreislauf der Natur in Schwung halten und Sonne und Mond ernähren", sagt der Religionswissenschaftler Gerald Hödl.
Elemente aus den alten Kulten haben sich laut dem Religionswissenschaftler in Mittelamerika lange gehalten. Auch heute findet man unter einer oberflächlichen christlichen Symbolik noch alte bäuerliche Kulte.
Viele Gemeinsamkeiten
Auffällig ist, dass viele traditionelle Kulturen - egal auf welchem Kontinent - diesseitige und jenseitige Welt nicht trennen. Und auch bezüglich der Ausgestaltung der verschiedenen Panthea gibt es rund um den Globus so manch ähnliche Muster, meint Hödl.
"Mit bestimmten Wirtschaftsformen gehen auch bestimmte religiöse Vorstellungen einher. So findet man bei Nomadenvölkern sehr oft eine Himmelsgottheit, in Ackerbau betreibenden Kulturen findet man Pflanzengötter. Man wird in Binnenländern keine Meeresgottheiten finden. Es handelt sich also oft um Bereichsgottheiten, die Karriere machen und zu allgemeineren Gottheiten werden."