OESTERREICHISCHE GALERIE BELVEDERE
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Das Porträt der Amalie Zuckerkandl
Die Porträts von Gustav Klimt waren bei den Damen aus dem jüdischen Großbürgertum sehr beliebt. Sie waren allerdings auch damals schon kaum erschwinglich, und doch leisteten sich rund 50 Familien so ein Künstler-Porträt. Auch Amalie Zuckerkandl ließ sich von Klimt porträtieren.
5. März 2018, 02:00
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Gestohlene Klimt-Bilder 05 02 2018 | 09:30 Uhr
Otto Zuckerkandl, Amalies Mann, hatte mit Schnitzler studiert, der wie er Arzt war. So war eine Freundschaft zwischen Zuckerkandl und Schnitzler entstanden, an der auch die Frauen rege Anteil nahmen. Denn Amalies Schwägerin war die bekannte Journalistin Berta Zuckerkandl. Sie war mit Klimt befreundet, so mag Otto Zuckerkandl auch auf die Idee gekommen sein, seine Frau Amalie von Klimt portraitieren zu lassen. Das Porträt wird allerdings nie fertig: Gustav Klimt stirbt 1918.
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Nach dem Krieg ließ sich das Ehepaar Zuckerkandl scheiden, das Bild kam in Besitz von Amalie Zuckerkandl. Ende der 1920er Jahre, als geschiedene Frau, war Amalie Zuckerkandl allerdings in finanziellen Schwierigkeiten und verkaufte das Bild an einen wohlhabenden Freund und Sammler, Ferdinand Bloch-Bauer. Der Industrielle hatte das Bild gekauft, um seine gute Freundin zu unterstützen und wollte es ihr später rückerstatten.
Dieser Teil der Geschichte des Bildes ist wesentlich für die späteren Streitigkeiten zwischen den Erben der Familie Bloch-Bauer und Zuckerkandl. Gehört es den Erben nach Bloch-Bauer oder nach Zuckerkandl? Diese Frage sollte sich später nie ganz aufklären.
Das Bild verschwindet aus der Sammlung
Ferdinand Bloch-Bauer flieht nach Zürich, als die Nationalsozialisten die Macht übernehmen. Die Zentralstelle für Denkmalschutz erstellte eine Liste der Bilder, die, aus der Sammlung Bloch-Bauer, keinesfalls in das Ausland ausgeführt werden dürfen. Das Bild der Amalie Zuckerkandl stand nicht auf dieser Liste. Doch was kann man daraus schließen? Das Bild war also nicht mehr bei Bloch-Bauer, wo war es dann?
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Die Provenienzforscherin Monika Mayer vom Belvedere meint, dass nach der Besichtigung der Sammlung im Jahr 1939 das Bild an die Tochter von Amalie Zuckerkandl oder an Amalie Zuckerkandl selbst übergeben wurde. Veranlasst wurde das von Ferdinand Bloch-Bauer, allerdings nach dem 13. März 1938. Und der 13. März 1938 ist der Stichtag für die Provenienzforschung. Entscheidend ist immer, was mit einem Bild nach dem Anschluss - der Machtergreifung der Nationalsozialisten - geschehen ist. Und da stellt sich die Frage, ob ein Bild entzogen oder verkauft worden ist.
Der 13. März 1938 ist der Stichtag für die Provenienzforschung. Entscheidend ist immer, was mit einem Bild nach dem Anschluss - der Machtergreifung der Nationalsozialisten - geschehen ist.
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Verfolgung und Notverkauf
Tatsache ist, dass der Schwiegersohn von Amalie Zuckerkandl das Bild 1942 verkauft hat. Aus der Familie zuckerkandl war er als einziger dazu in der Lage, weil er selbst nicht jüdisch war. Aber Amalie Zuckerkandl selbst kam immer mehr in Bedrängnis. 1941 musste sie in eine Sammelwohnung, im April 1942 war sie auf dem Weg ins Vernichtungslager Belzec.
Zu dieser Zeit verkaufte die Familie Zuckerkandl das Bild in höchster Not weit unter dem Wert: um 1.600 Reichsmark, an die Kunsthändlerin Vita Künstler. Nur ein Jahr später wurde der Wert mit 10.000 Reichsmark angegeben.
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Der Sammler Viktor Zuckerkandl, der auch Besitzer des Sanatoriums in Purkersdof war. Er und seine Frau Paula waren unter Klimts größten Sammlern.
Freiwillig auf Rückkauf verzichtet?
Ob es sich um einen Notverkauf handelte, ist nicht unbedingt relevant. Jedenfalls nicht für den Kunstrückgabebeirat, sagt Eva Blimlinger vom Kunstrückgabebeirat. Die Frage ist also, ob die Familie freiwillig auf eine Rückstellung bzw. einen Rückkauf verzichtet hat. Dazu gibt es eine entscheidende Begebenheit.
Die Kunsthändlerin Vita Künstler traf nach dem Krieg die Tochter von Amalie Zuckerkandl auf der Straße und fragte sie, ob sie das Bild zurückkaufen will. Hermine war gerade aus Bayern zurückgekommen, wo sie sich versteckt hatte. Ihre Wohnung war von den Besatzungstruppen besetzt und geplündert worden. Ihr Mann war gestorben, ihre Mutter Amalie, ihre Schwester Nora, deren Mann und Kind ermordet worden. Ihre eigenen Kinder hatte sie sieben Jahre lang nicht gesehen. Abgesehen davon, hätte sie sich das Portrait ihrer Mutter einfach nicht leisten können. Deshalb sagte sie zur Kunsthändlerin, das Bild sei für sie so gut wie verloren: wäre es in ihrer Wohnung geblieben, wäre es bei einem Bombenangriff zerstört worden, Vita Künstler solle es daher behalten.
Bild wird der Österreichischen Galerie geschenkt
Die Kunsthändlerin Vita Künstler verfügte daraufhin testamentarisch, sie wolle das Bild nach ihrem Tod der Österreichischen Galerie, dem heutigen Belvedere schenken. Die Tochter Hermine Müller-Hofmann schrieb dazu in einem Brief 1965. "Damit bin ich ganz zufrieden." Ein Satz, der den Erben zum Verhängnis wurde, als sie das Bild vom Belvedere zurückforderten.
Noch zu ihren Lebzeiten schenkte Viita Künstler das Bild 1988 der Österreichischen Galerie. Rund um die Jahrtausendwende wandten sich die Erben Bloch-Bauers und Zuckerkandls an den Rückgabebeirat. Er sollte klären, ob und an wen das Bild zurück gegeben werden musste. Der Beirat Entschied 2005 dass das Bild im Belvedere bleiben sollte, da unklar sei, wem es zuletzt gehört habe: Bloch-Bauer oder Zuckerkandl. Die beiden Erbengruppen nach Zuckerkandl und nach Bloch-Bauer setzten daraufhin eine Schiedskommission ein, um ein aufwändiges Gerichtsverfahren zu umgehen. Doch als das Urteil im Jahr 2005 für die Republik ausfiel, setzten sie doch auf die Gerichte.
2008 entschied auch der Oberste Gerichtshof, das Bild nicht an die Rechtsnachfolger nach Amalie Zuckerkandl oder nach Ferdinand Bloch-Bauer auszufolgen. Das Porträt einer Ermordeten- wie die Tageszeitung "Der Standard" es einmal nannte - bleibt im Belvedere.