BELVEDERE WIEN/LT KUNSTRÜCKGABEGESETZ 2001 AN DIE RECHTSNACHFOLGE RESTITUIERT
Radiokolleg
Falsch restituiert: Klimts Apfelbaum II
Die Republik Österreich gab im Jahr 2001 ein Klimt-Bild an die falschen Erben zurück. Es handelte sich um das Bild "Apfelbaum II"- ein Bild, das Gustav Klimt im Jahr 1917 gemalt hatte. Damals handelten alle im guten Glauben, denn das Bild wurde in den historischen Dokumenten schlampig oder absichtlich falsch beschrieben.
9. März 2018, 02:00
Radiokolleg
Gestohlene Klimt-Bilder 06 02 2018 | 09:30Uhr
Die Geschichte beginnt im Jahr 1899, als Nora Stiasny geboren wird. Sie ist eines der drei Kinder Amalie Zuckerkandls - die Restitutionsgeschichte ihres Gemäldes bildete den Auftakt dieser Radiokolleg-Serie.
Tochter Nora studiert an der Kunstgewerbeschule. Dort lernt sie Philipp Häusler kennen, der dort lehrt und ihr noch viel Schaden zufügen sollte.
Betrogen von einem vermeintlichen Freund
März 1938, unmittelbar nach dem Anschluss: Die SA besetzt das Sanatorium Purkersdorf. Nora Stiasnys Onkel, Viktor Zuckerkandl, hatte nach seinem Tod 1927 dieses von Josef Hoffmann geplante große Sanatorium seinen Nichten und Neffen vermacht. So war Nora Stiasny Mitbesitzerin dieses Treffpunkts der Wiener Gesellschaft geworden. Seit Ender der 20er Jahre wohnte sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn dort. Die SA dringt also in das Sanatorium ein, pfändet Möbel und persönliche Gegenstände von Nora Stiasny ua. Unter anderem auch ein nicht näher bezeichnetes Bild mit dem Titel "Apfelbaum".
Nora Stiasny erinnert sich an Philipp Häusler, der mittlerweile ein hoher Nazifunktionär geworden war, und hofft, er könne ihr helfen, das Bild zu retten. Doch Häusler verschreckt potentielle Interessenten, er will das Bild selbst und wird es später tatsächlich in seinen Besitz bringen. Nora Stiasny hätte das Geld aus dem Verkauf gebraucht, um auszureisen. So gelingt ihr die Flucht nicht. Sie wird 1942, ebenso wie ihre Mutter Amalie, deportiert und ermordet.
Falsche Angaben
Philipp Häusler muss sich schon 1939 vor Gericht für seine Raubzüge verantworten,- die Nazis vermuten, dass er sich zum Schaden des Regimes persönlich bereichert habe. Er führt deshalb in einem Brief gegenüber den NS-Behörden an, dass nicht er, sondern sein Schwager das Bild gekauft habe.
In diesem Verfahren wird das Bild als eine Skizze aus der späten Zeit des Malers bezeichnet. Philipp Häusler handelt damit im eigenen Interesse, um das Gemälde später billig erwerben zu können. Er beschreibt es daher als Skizze. Das wird die Provinienzforschung später in die Irre führen, die sich auf Philipp Häuslers Aussagen stützt.
ORF/MUSEE D'ORSAY/ÖSTERR: GALERIE BELVEDERE LT KUNSTRÜCKGABEGESETZ 2001 AN DIE RECHTSNACHFOLGE RESTITUIERT
Ein Klimt fürs Belvedere
Die Schwester von Nora Stiasny, Hermine Müller-Hofmann, ist die einzige Überlebende der Familie. Sie sieht sich nach dem Krieg nicht im Stande, das Verfahren alleine weiterzuführen.
1961 erhielt die Österreichische Galerie Belvedere ein Apfelbaum-Gemälde von Gustav Klimt vom NS-Filmregisseur Gustav Ucicky, der möglicherweise ein illegitimer Sohn des Malers ist, das jedenfalls von sich behauptet. Wie und wann Ucicky das Bild erworben hat, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Im Herbst 2000 empfiehlt der Kunstrückgabebeirat die Rückgabe des Bildes an die Erben von Nora Stiasny, 2001 wird das Bild ausgehändigt.
Ein folgenschwerer Irrtum
Bei Recherchen zur Sammlerfamilie Lederer bzw. ihrer Tochter Elisabeth Bachofen-Echt werden Dokumente gefunden, die belegen, dass sich ein Apfelbaum-Bild im Besitz von Elisabeth Bachofen-Echt befunden hatte. Da Zweifel an der Zuordnung bestehen, fordert die Finanzprokuratur eine Haftungserklärung - um sich für neue Aktenfunde abzusichern.
Nach der Rückgabe des Werkes passiert lange nichts. Das Apfelbaum-II-Bild wird in sämtlichen Katalogen Nora Stiasny zugeordnet. Erst im Jahr 2015 melden sich die Erben der Familie Lederer - Nachfahren von Elisabeth Bachofen-Echt - zu Wort. Sie erheben Anspruch auf das Bild Apfelbaum II. Monika Mayer vom Belvedere wird mit der Erstellung eines neuen Provenienzdossiers beauftragt.
Nachträgliche Zuordnung
Auf Grund der neuen Forschungsergebnisse kann man nun das Bild Apfelbaum II mit hoher Wahrscheinlichkeit der Sammlung Lederer zuordnen. Das Bild gehörte also der Familie Lederer. Die Familie kann auf mehrere Dokumente verweisen, in denen ein Apfelbaum-Bild aufscheint. 1926 stellt Serena Lederer ein Apfelbaum-Bild für eine Klimt Ausstellung zur Verfügung. Ein Apfelbaum Bild taucht auch 1938 wieder in den Akten der Familie Lederer auf, bei der Vermögenserklärung für die Nazis.
Klimt malte viele Apfelbäume
Das Problem der Zuordnung rührt auch daher, dass Gustav Klimt relativ viele Apfelbäume malte, erklärt Kurator Markus Fellinger von der Österreichischen Galerie Belvedere. Es gibt mindestens 16 Werke mit Obstbäumen, daneben noch viele Blumengärten oder Waldansichten, schätzt Fellinger. Die Sammlerfamilien Lederer, Reininghaus oder Bloch-Bauer kauften die Landschaftsbilder gerne für ihre Wohnungen.
Nicht "Apfelbaum" sondern "Rosen unter Bäumen"
Doch Nora Stiasny besaß nachweislich auch ein Apfelbaum-Bild, aber welches? Und wo ist es? Wie man jetzt weiß, handelt es sich um das Bild "Rosen unter Bäumen". Seine
Geschichte lässt sich heute gut rekonstruieren. Philipp Häusler vererbt es an eine ehemalige Freundin. Über einen Schweizer Kunsthändler wird es schließlich an das Musee d´Orsay verkauft. Es wurde also das falsche Bild restituiert.
Was geschieht jetzt? Diese Frage muss laut Eva Blimlinger vom Kunstrückgabebeirat in Frankreich geklärt werden. Dort gibt es allerdings kein Kunstrückgabegesetz.
Die Erben haben das Bild Apfelbaum II Bild verkauft und den Erlös aufgeteilt. Das Gemälde soll jetzt in Schweden sein, ein anderes Gerücht geht von den USA aus. Sein Wert wird auf ca.30 Millionen Euro geschätzt.