Susan Philipsz auf dem Altan der Neuen Burg

APA/HERBERT NEUBAUER

Soundinstallation

Susan Philipsz' "The Voices" am Wiener Heldenplatz

Die Eröffnung ihrer Soundinstallation "The Voices" am Heldenplatz ist am 12. März ein wesentlicher Programmpunkt des Gedenkens an die Ereignisse rund um den "Anschluss" Österreichs an Hitlerdeutschland vor 80 Jahren. Die schottische Künstlerin und Turner-Preisträgerin Susan Philipsz (52) erläuterte im APA-Interview Theorie und Praxis ihres spezifisch kreierten Klangraums.

The Voices

Aufnahmen vom Probebetrieb am Wiener Heldenplatz

Johann Periny

APA: Mrs. Philipsz, vor drei Jahren haben Sie im Theseustempel Ihre Installation "War Damaged Musical Instruments (Pair)" gezeigt, nur wenige hundert Meter von der Neuen Burg entfernt. Wie vertraut sind Sie mit der Wiener Geschichte und ihren Schauplätzen?

Susan Philipsz: Ich bin mit ihr vertraut geworden, als ich damals mit Jasper Sharp für dieses Projekt des Kunsthistorischen Museums gearbeitet habe. Als ich eingeladen wurde, für den Heldenplatz etwas zu machen, wusste ich daher bereits, was das bedeutet. Aber ich habe auch gemerkt, dass seit der Hitler-Rede am 15. März 1938 immer wieder wichtige Dinge hier geschehen sind. Für mich ist es natürlich auch das Herz Wiens und der österreichischen Monarchie, umgeben von all diesen historischen Gebäuden. Besonders schön finde ich, dass jetzt die Parlaments-Pavillons hier stehen. Zunächst war es eine echte Herausforderung, hier für den Altan etwas zu entwickeln. Am Ende war es auch eine Ehre - denn das Projekt war Monika Sommer, der Direktorin des "Haus der Geschichte Österreich", ein wirkliches Anliegen.

Was war die Grundidee Ihrer Soundinstallation?

Philipsz: Ursprünglich stand die Erfahrung, dass Glas wie die menschliche Stimme klingt. Das Geräusch, das man hört, erzeuge ich, indem ich mit dem Finger an den Rändern vier verschiedener kristallener Weingläser entlangfahre. Die Höhe des Wasserspiegels bestimmt dabei die Höhe des entstehenden Tons. Es ist ein abstrakter Ton, der aber durch seine Dissonanzen Aufmerksamkeit erzeugt. Es entsteht eine Spannung, bei der man erwartet, dass das Glas brechen könnte. Der Ton wechselt von einer Ecke der Installation zur nächsten, dabei lasse ich immer wieder auch Pausen, bei denen man nicht weiß, ob es weitergeht. Ich wollte auf keinen Fall bloß eine einzige Stimme, die vom Altan kommt, sondern in den Raum hinausgehen. Ich wollte auch, dass Lautsprecher auf den Parlaments-Pavillons stehen - was eine Menge Arbeit bedeutet hat, die Erlaubnis dafür zu bekommen. Aber so entsteht ein Dialog zwischen Gebäuden, die die Demokratie repräsentieren, und jenen, die für die Monarchie stehen.

Nehmen Sie mit "The Voices" auch auf frühere Arbeiten von Ihnen Bezug?

Ich habe tatsächlich schon früher mit Glas gearbeitet, etwa in einer alten Glasfabrik in Belfast. Ich wollte diesmal mit Kristallglas arbeiten, die Soundinstallation geht ja bis zum November, wenn an die Novemberpogrome 1938 erinnert wird, die auch "Reichskristallnacht" genannt wurden. Und auch die Radios und Mikrofone der damaligen Zeit waren mit Kristall-Detektoren ausgestattet.

Susan Philipsz auf dem Altan der Neuen Burg

APA/HERBERT NEUBAUER

Susan Philipsz auf dem Altan der Neuen Burg

Was macht Ton und Klang als künstlerisches Material so speziell?

Es ist ein sehr gefühlsbetontes, emotionales Medium. Es kann Erinnerungen anstoßen. Ich bin sehr an den psychologischen Effekten von Klängen interessiert. Sie können auch Architektur definieren und die Wahrnehmung von Räumen beeinflussen. Mit Tönen kann man einen Raum schaffen, eine Raum-Skulptur. Und natürlich gibt es auch interessante physikalische Effekte beim Produzieren von Tönen.

Wenn wir an die Geschehnisse des 15. März 1938 denken, dann dominieren Stimmen von großer Lautstärke: Die ekstatisch schreiende, jubelnde Menge, die bellende, harte Rede Hitlers. Sie setzen zarte, zerbrechliche Töne dagegen. Besteht nicht Gefahr, dass sie überhört werden?

Man wird sie sicher wahrnehmen. Sie verändern die Art, den Raum wahrzunehmen. Sie werden Anspannung erzeugen. Es ist wichtig, nicht die ursprünglichen Klänge zu reproduzieren. Es sind viele Stimmen, nicht eine einzige. Die Installation repräsentiert auch jene, die damals ihre Stimme nicht erheben konnten. Die Klänge wandern, verändern sich, sind nicht recht zu greifen, sind aber da. Sie werden mit den Geräuschen der Umgebung arbeiten. Es braucht dazu keine absolute Stille.

Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA

Service

"The Voices" ist ein Projekt des Hauses der Geschichte Österreich und wird am 12. März um 12.30 Uhr mit Reden von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Kulturminister Gernot Blümel (beide ÖVP) eröffnet. Danach soll die Vierkanal-Klanginstallation bis zur Eröffnung des HGÖ am 12. November zweimal täglich, jeweils um 12.30 Uhr und 18.30 Uhr, für je zehn Minuten zu hören sein.

HDGOE - The Voices

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