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Tonspuren
Die "Scheibenwelt" des Terry Pratchett
Neben Joanne K. Rowling war Terry Pratchett der erfolgreichste Fantasy-Autor Englands. Von 1983 bis zu seinem Tod im Jahr 2015 veröffentlichte er insgesamt 41 in der so genannten Scheibenwelt angesiedelte Romane. Pratchett verarbeitete in seinen Geschichten Themen wie Religion, Philosophie, Gleichberechtigung oder nahm Anleihen an Werken von Shakespeare.
2. Oktober 2019, 02:00
"Früher habe ich häufig darauf hingewiesen, dass der Mythos von einer flachen Welt auf dem Rücken einer Schildkröte auf allen Kontinenten existiert. (...) Aber man hat zu oft gefragt und zu selten zugehört, und deshalb sage ich nun: Ich habe alles erfunden", meinte der Fantasy-Autor Terry Pratchett in einem Interview aus dem Jahr 2003 auf die Frage, wie ihm die Idee zu seiner Scheibenwelt gekommen sei.
Tonspuren | 01 10 2019
20 Jahre davor, 1983, veröffentlichte der Brite seinen ersten in der Discworld (so die englische Bezeichnung) angesiedelten Roman "The Colour of Magic"/"Die Farben der Magie": "Auf einer Welt, die auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte ruht, macht sich eine fröhliche, explosive und überaus exzentrische Expedition auf den Weg. Es kommen vor: Ein habgieriger, aber unfähiger Zauberer (Rincewind), ein naiver Tourist (Zweiblum), dessen Gepäcktruhe, die sich auf Hunderten niedlicher kleiner Beine fortbewegt, Drachen, die nur dann existieren, wenn man an sie glaubt, sowie natürlich der Rand des Planeten …"
Der Tod mag Katzen
Um in die Scheibenwelt einzutauchen, ist es nicht notwendig, mit "Die Farben der Magie" zu beginnen. Dieser erfährt zwar seine Fortsetzung mit "Das Licht der Fantasie", alle anderen Romane sind jedoch in sich abgeschlossen. Wobei es natürlich zahlreiche Querverweise zwischen den 41 in der Scheibenwelt angesiedelten Werken gibt, sei es aufgrund der geografischen Bezüge (es wurde sogar ein eigener Atlas der Scheibenwelt veröffentlicht) oder dank der zahlreichen wiederkehrenden Charaktere wie des schon erwähnten Zauberers Rincewind.
Auch dem personifizierten Tod sind einige Romane gewidmet. In "Gevatter Tod"/"Mort" etwa sucht er einen Lehrling, in "Alles Sense"/"Reaper Man" geht er für kurze Zeit in den Ruhestand. Diese Figur ist exemplarisch für Terry Pratchetts Humor, denn seine Bücher sind humorvolle Fantasy. Pratchett verpasste seinem Sensenmann ein ganz spezifisches stilistisches Merkmal: Er lässt ihn in Großbuchstaben sprechen: "'Gibt es irgendetwas in der Welt, durch das unser Leben lebenswert wird?', fragte Allesweiß bitter. Tod überlegte. 'KATZEN', sagte er schließlich. 'JA, KATZEN SIND RECHT NETT.'"
Der Bibliothekar in tierischer Gestalt
Pratchett erzählt in seinem literarischen Universum außerdem Geschichten über die Hexe Oma Wetterwachs, die Stadtwache von Ankh-Morpork oder auch über die Unsichtbare Universität. Deren Bibliothekar war früher einmal ein Mensch, der als magischer Kollateralschaden in einen Orang-Utan verwandelt wurde. Obwohl sich sein Sprachvermögen seitdem drastisch reduziert hat, fühlt sich der Bibliothekar äußerst wohl in seiner tierischen Gestalt, denn diese ermöglicht es ihm beispielsweise, ohne Leiter die obersten Regalreihen zu erreichen. Auch seine Hobbys werden immer wieder thematisiert, sei es seine Vorliebe für Theateraufführungen oder jene für Musik.
Trotz ihrer teils fantastischen Bevölkerung - es gibt unter anderem auch noch Vampire und Trolle - offenbart die Scheibenwelt sehr viele Parallelen zu der unsrigen. Pratchett thematisiert in seinen Romanen wissenschaftliche Aspekte wie Quantenphysik; seine Welt wird in Anlehnung an die 1960er Jahre von einem grassierenden Rock ’n’ Roll-Fieber heimgesucht, er persifliert Hollywood, beschäftigt sich mit der Gleichberechtigung von Hexen und Zauberern oder nimmt Anleihen an Shakespeare-Motiven.
Petition an den Tod
Dass vor allem die Frage nach dem Sinn des Lebens und die Beschäftigung mit dem Tod wiederkehrende Motive im Schaffen Terry Pratchetts sind, ist nicht verwunderlich. 2007 wurde bekannt, dass der nach J. K. Rowling erfolgreichste Fantasy-Autor Großbritanniens an Alzheimer erkrankt ist.
Bis zu seinem Tod im Jahr 2015 setzte er sich vehement für die Erforschung von Demenzerkrankungen und gegen das Verbot der Sterbehilfe ein. Als die Nachricht seines Ablebens schließlich eintraf, unterschrieben 30.000 seiner Fans eine Petition, die vom Tod verlangte, Terry Pratchett wieder zurückzugeben.