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Steuern: Der politische Streit ums Geld
Keiner zahlt sie gerne. Sie seien zu hoch, würden falsch eingesetzt und die Wirtschaft drangsalieren, so hört man oft. Selten ein Thema erzeugt so einhellig Unmut wie die Steuern. Und doch sind Steuern jener Faktor, der unseren Staat zu einer sozialen Marktwirtschaft macht.
16. April 2018, 02:00
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Wozu Steuern? 19 03 2018 | 09:05 Uhr
"Steuern sind der Preis der Zivilisation", soll der US-Politiker Robert Wagner einmal gesagt haben. Tatsächlich kann man viele Unabhängigkeitsbewegungen als Steuerrevolutionen ansehen, etwa den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Großbritannien wollte die hohen Kriegskosten des Siebenjährigen Krieges in Europa durch neue und höhere Steuern in den Überseegebieten ausgleichen. Diese forderten im Gegenzug mehr Mitsprache und Eigenständigkeit. "No taxation without representation", lautete die Parole. Diese gilt genauso im 21.Jahrhundert.
"Höhere Steuern können proportional zur Freiheit der Untertanen erhoben werden", Montesquieu, Philosoph und Staatstheoretiker
Die Perspektive auf den Staat prägt die Einstellung zu Steuern. Wenn man Steuern hinterzieht, dann betrügt man also nicht einen Staat, der fernab der Gesellschaft steht, sondern letzten Endes sich selbst.
Kontrollen und Strafen sind in Bezug auf Steuern notwendig. Doch sie wirken nicht so stark, wie man annehmen würde. Wichtiger für die Steuermoral der Bürgerinnen und Bürger sind soziale Normen. Wird Steuerzahlen in einer Gesellschaft als moralische Verpflichtung angesehen, dann stärkt das die Steuerehrlichkeit.
Auch die Perspektive auf den Staat prägt die Einstellung zu Steuern. So wird der Staat in den skandinavischen Ländern als die Repräsentation der Kollektivität der Bürgerinnen und Bürger gesehen. Wenn man Steuern hinterzieht, dann betrügt man also nicht einen Staat, der fernab der Gesellschaft steht, sondern letzten Endes sich selbst. Die Steuerehrlichkeit ist in diesen Ländern hoch.
Ebenso hat sich gezeigt, dass in Ländern mit einer hohen steuerlichen Progression auch die nationale Zufriedenheit hoch ist. Denn steuerliche Progression nivelliert die Einkommensunterschiede und das steigert wiederum die gesellschaftliche Zufriedenheit.
"Nur zwei Dinge auf Erden sind uns sicher: der Tod und die Steuer." Benjamin Franklin
In Österreich wird Arbeit hoch besteuert, Kapital dagegen niedrig. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung machten Steuern auf Arbeit 2015 fast 25 Prozent aus, Steuern auf Kapital nur 7,4 Prozent.
Zumeist dominiert die Frage nach der Höhe der Steuern die öffentliche Diskussion. Doch eigentlich müsste eine andere Frage gesellschaftlich verhandelt werden: Was soll der Staat an öffentlicher Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherung bereitstellen? Denn die Antwort darauf gibt die Höhe der Steuern vor.
Steuern sind das Instrument mit dem der Staat soziale Gerechtigkeit fördert. Sie sind der Beitrag des Einzelnen für die Verbesserung des kollektiven Wohlstands. Einkommen wird in fast allen Sozialstaaten progressiv besteuert. Diese Steuerlast orientiert sich also an der individuellen, ökonomischen Leistungsfähigkeit.
Indirekte Steuern wie etwa die Mehrwertsteuer oder Energiesteuern sind hingegen degressiv: Menschen mit geringem Einkommen geben einen sehr viel höheren Anteil ihres Einkommens für indirekte Steuern aus als Menschen mit hohem Einkommen. Während in Österreich Arbeit hoch besteuert wird, wird Kapital im europäischen Vergleich niedrig besteuert.
Ein Viertel der österreichischen Steuereinnahmen stammte 2015 laut OECD aus der Besteuerung von Einkommen, wohingegen Einnahmen aus Steuern auf Unternehmensgewinne nur fünf Prozent und aus Vermögenssteuern überhaupt nur ein Prozent betrugen.
"Steuersysteme sind historisch gewachsen. Würde man ein Steuersystem am Reißbrett entwickeln, sehe es vermutlich anders aus als die jetzigen Systeme." Stefan Humer, Ökonom
Was oft vergessen wird. Ein starker Sozialstaat ist ein positiver Standortfaktor. Denn er garantiert einen funktionierenden Rechtsstaat, gut ausgebildete Fachkräfte und stabilen Konsum. Und investiert wird in den Sozialstaat mittels Steuern und Abgaben.
Den EU-Staaten entgehen an die 60 Milliarden Euro pro Jahr an Steuereinnahmen, weil internationale Konzerne wie Google, Starbucks und Nike ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, so eine aktuelle Berechnung des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Gabriel Zucman.
Zwischen den Mitgliedsstaaten ist ein Steuerwettbewerb entbrannt, von dem vor allem Unternehmen profitieren. Datenleaks haben diese Praxen der Steuervermeidung und -hinterziehung zwar öffentlich gemacht, der nationalstaatliche Wille diese einzudämmen ist aber gering. Die EU-Kommission versucht es nun über das Wettbewerbsrecht und hat Apple aufgefordert 13 Milliarden Euro an Irland zu zahlen, weil das Unternehmen dort unzulässige Steuererleichterungen erhalten hat.
AP/EVAN VUCCI
Kürzlich hat US-Präsident Donald Trump eine umstrittene Steuerreform durch Kongress und Senat geboxt. Das Kernstück: Die Senkung der Körperschaftssteuer von 35 auf 21 Prozent. Das wird den Steuerwettlauf weiter anheizen, befürchten Experten. Auch die österreichische Bundesregierung plant aktuell eine Senkung der Körperschaftssteuer. Das soll Unternehmen entlasten, den Standort stärken und Investitionen anregen.
Was dabei oft vergessen wird. Ein starker Sozialstaat ist ein positiver Standortfaktor. Denn er garantiert einen funktionierenden Rechtsstaat, gut ausgebildete Fachkräfte und stabilen Konsum. Von Investitionen in den Sozialstaat profitieren also Wirtschaft und Gesellschaft. Und investiert wird in den Sozialstaat mittels Steuern und Abgaben.