
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
1929
Umspannwerk Favoriten, Wien
Wie ein in der Stadt gestrandetes, riesiges graues Schiff steht es da. An der spitz zulaufenden Ecke zwischen Sonnwendgasse und Humboldtgasse im zehnten Wiener Gemeindebezirk befindet sich das Umspannwerk Favoriten.
13. September 2018, 05:00
Gestrandet in Favoriten
Hanna Ronzheimer
Bau: 1929
Architekten: Eugen Kastner, Fritz Waage
Adresse: 1100 Wien, Humboldtgasse 1-5
Zwischen 1928 und 1931 wurde es nach den Plänen von Eugen Kastner und Fritz Waage errichtet. Groß und grau thront es nun zwischen modernen Wohnhäusern. Was sich im Innern abspielt, ist von außen nicht einsehbar.
Das Umspannwerk Favoriten ist eines der ältesten Umspannwerke der Wiener Netze GmbH. Bis zur Jahrtausendwende war hier auch eine Steuerstelle, von der das ganze südliche Netz, bis kurz vor Wiener Neustadt, ferngesteuert wurde.
Bereits im Innenhof "hört" man den Strom. Menschenleer ist es hier – denn durch die Fernsteuerung benötigen die Wiener Umspannwerke kaum noch Personal, erklärt Diplomingenieur Michael Swoboda von der Wiener Netze GmbH. "Hier sind wir jetzt im Kabelkeller. Die Kabel kommen von der Straße herein - dieses Kabel beispielsweise kommt aus dem Umspannwerk Süd, geht da in die Schaltanlage hinein, die einen Stock höher ist, und die werden wir uns jetzt als nächstes anschauen."

Seitenansicht, Humboldtgasse
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Im frühen 20. Jahrhundert war diese Gegend in Favoriten ein sogenanntes Brettldorf. Man riss die Baracken ab und ließ an ihrer Stelle das imposante, skurrile, aber auch etwas unheimlich anmutende Umspannwerk errichten. Es ist unter anderem dazu da, den hereinkommenden Strom auf eine niedrigere Spannung zu bringen. Dann wird der Strom in die Verteilernetze geleitet und geht von dort zum Beispiel in Haushalte. Das ganze findet auf mehreren Stockwerken statt – von ganz oben hat man das Gefühl, das Schiff zu steuern. Architektonisch orientiert sich das Gebäude an den Stil der russischen Industriebauten nach der Oktoberrevolution.

Das Umspannwerk Favoriten war bereits für einige österreichische Film- und Fernsehprodukten Schauplatz für Gefängnisszenen.
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"Der Architekt hat damals den dreieckigen Grundriss dieses Gebäudes als Anlass genommen, das Gebäude wie ein Schiff zu bauen. Wenn man genau schaut, sieht man die Brücke, die da hinausragt, und in dieser Brücke war dann auch das Büro vom Stationsleiter. Als wäre er der Kapitän von einem Schiff", weiß Michael Swoboda.
Funktionell und zugleich futuristisch mutet dieser Industriebau des roten Wien an, ein Ausdruck des technischen Fortschritts in jener Zeit. Zugleich hat das Gebäude etwas Düsteres. Ein menschenleeres Umspannwerk eignet sich auch hervorragend als Gefängniskulisse, lernen die Besucherinnen in Favoriten. "Hier bei diesem Tor ist der Gefängnisausbruch im Film ‚Der Überfall‘ mit Roland Düringer gedreht worden", erzählt Swoboda.